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Das Rote Kornfeld

Das Rote Kornfeld

Titel: Das Rote Kornfeld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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eingekniffenen Schwänzen kletterten sie am anderen Ufer hoch. Nasses Fell klebte an der Haut. Auch sie sahen erbärmlich aus. Sobald sie festen Boden erklommen hatten, schüttelten sie sich kräftig. Wasserperlen fielen von den Schwänzen, den Bäuchen, den Kinnladen. Der Rote starrte Vater hasserfüllt an und bellte, als wolle er ihm und seinen Freunden vorwerfen, sie hätten, als sie in den Lagerplatz eindrangen und grausame, neuartige, unhündische Waffen zum Einsatz brachten, einen Vertrag gebrochen.
    «Werft ein paar über den Fluss !» befahl Vater.
    Sie nahmen noch mehr Granaten und warfen sie mit aller Macht zum anderen Ufer hinüber. Als die Hunde die schwarzen Gegenstände sahen, die im Bogen über das Wasser flogen, stimmten sie ein beschwörendes Geheul an, als riefen sie nach ihren Vätern und Müttern. Dann sprangen sie auf, rollten die Uferböschung hinunter und verschwanden eilig in den Hirsefeldern am Südufer. Vater und die anderen hatten nicht die Kraft, die Handgranaten bis ans andere Ufer zu werfen. Sie landeten harmlos im Wasser und ließen vier silberne Fontänen aufsteigen. Eine Zeitlang kräuselte sich die Wasseroberfläche, dann trieb ein Schwarm weißer Aale bauchoben ans Ufer.
    In den zwei Tagen, die auf den Überraschungsangriff am Schwarzwasserfluß folgten, hielt sich die Meute von der Schlachtstätte fern. Ob Menschen oder Hunde, die Streitkräfte waren in Alarmbereitschaft und rüsteten sich für die nächste Schlacht.
    Vater und seine Freunde, durch die Handgranaten von ihrer strategischen Überlegenheit überzeugt, hielten eine Sitzung ab, in der sie über die effektivste Taktik berieten - Wang Guang wurde zu einer Erkundungsmission ans Flussufer geschickt und berichtete, dass außer Fellfetzen, ein paar Hundeleichen, großen Mengen Scheiße und einem überwältigenden Gestank nichts auszumachen war. Er hatte nicht einen einzigen lebendigen Hund gesichtet, so dass man von der Annahme ausgehen musste, die Tiere hätten ihr Hauptquartier verlagert.
    Dezhi war der Meinung, die Meute sei zwar fürs erste in die Flucht geschlagen, doch ihre Anführer hätten überlebt. So werde es nicht lange dauern, bis sie wieder die Reihen schlössen, um den Kampf um die Leichen fortzusetzen. Es sei ein um so schrecklicherer Gegenangriff zu befürchten, als die Überlebenden jetzt Kampferfahrung hätten und besser vorbereitet in die Schlacht ziehen würden.
    Der wichtigste Vorschlag kam von Mutter. Sie meinte, man solle die Handgranaten im voraus scharfmachen und unter den Pfaden der Hunde vergraben. Der Vorschlag wurde einstimmig angenommen. Die Kämpfer teilten sich in einzelne Gruppen mit dem Auftrag, fünfundvierzig Handgranaten als Landminen unter den drei Hundewegen zu vergraben. Von den ursprünglich siebenundfünfzig Eierhandgranaten in ihrem Arsenal waren zwölf bei dem Überraschungsangriff am Schwarzwasserfluß zum Einsatz gekommen, so dass ihnen noch fünfundvierzig Stück blieben. Vater teilte sie gleichmäßig auf die Einsatzgruppen auf: fünfzehn für jede Einheit.
    Die Hundefront verlor im Verlauf dieser zwei Tage an Einheit und Kraft. Viele starben oder wurden fahnenflüchtig, so dass ihre Gesamtstärke auf etwa einhundertzwanzig Hunde abnahm. Konfrontiert mit der dringenden Notwendigkeit taktischer Reorganisation, schlossen sich die ursprünglichen drei Hundebrigaden zu einer Eliteeinheit zusammen. Seit jene vier bösartigen kleinen Wesen mit ihren explodierenden Mistkäfern den alten Lagerplatz der Hunde erobert hatten, hatte man ihn gezwungenermaßen anderthalb Kilometer flussaufwärts verlegt, an eine Stelle am Südufer, unmittelbar östlich der Steinbrücke über den Schwarzwasserfluß, und bezog dort neue Stellungen.
    Dieser Tag sollte die Entscheidung bringen. Auf dem Weg zum neuen Lagerplatz knurrten die kampfwütigen Hunde und schnappten nacheinander. Gelegentlich warfen sie einen Blick auf ihre Anführer, die einander mit kühlem Blick aus den Augenwinkeln abschätzten und ein schlaues Lächeln auf den schmalen langen Gesichtern trugen.
    Als sie den Sammelplatz östlich der Brücke erreicht hatten, bildeten sie im Ufersand einen engen Kreis und heulten, auf den Hinterpfoten kauernd, den verhangenen Himmel an. Der Schwarze und der Grünliche zuckten sichtbar, und das Fell auf ihren Rücken wogte wie Meereswellen. Die Augen der menschenfressenden Hunde waren blutunterlaufen, das monatelange Vagabundenleben und die Ernährung von Aas hatten urtümliche Erinnerungen in einem

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