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Das Rote Kornfeld

Das Rote Kornfeld

Titel: Das Rote Kornfeld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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könnte das Ende einer ruhmreichen Familie bedeuten.»
    «Ich habe ihn zu dir gebracht», sagte Großvater, «weil ich dir vertraue. Tu dein Bestes!» Doktor Zhang biss die Zähne zusammen und sagte: «Wenn Kommandant Yu es will, muss ich es wohl tun.»»
    Er tränkte einen Wattebausch mit Schnaps und säuberte die Wunde. Der Schmerz weckte Vater auf. Er versuchte, sich von der Liege gleiten zu lassen, aber Großvater hielt ihn fest. Er strampelte mit den Beinen.
    «Kommandant Yu>», sagte Zhang Xinyi, «wir werden ihn festbinden müssen.»»
    «Douguan»», sagte Großvater. «Du bist mein Sohn, und du musst tapfer sein. Beiß die Zähne zusammen!»»
    «Ja, Vater»», sagte Douguan, «aber es tut weh.»
    «Sei tapfer!» sagte Großvater streng. «Denk an Onkel Luohan.»»
    Vater wagte nicht zu widersprechen. Schweiß rann ihm über die Stirn.
    Zhang Xinyi nahm eine Nadel und sterilisierte sie mit Schnaps, bevor er den Faden einlegte. Dann begann er, den aufgerissenen Hodensack zuzunähen.
    «Näh das wieder mit rein!» sagte Großvater.
    Zhang Xinyi sah den Hoden an, der in seiner Blätterhülle auf dem Holzschränkchen lag, und murmelte verlegen: «Kommandant Yu ... das würde nichts bringen ... »»
    «Willst du das Ende der Familie Yu einläuten?» fragte Großvater betrübt.
    Große Schweißtropfen glänzten auf Doktor Zhangs hagerem Gesicht. «Überlege dir das doch, Kommandant Yu! Da sind Blutgefäße durchtrennt. Wenn ich es wieder hineintäte, bliebe es trotzdem tot.»»
    «Dann näh die Blutgefäße wieder zusammen.»
    «Kommandant Yu, niemand auf der Welt kann Blutgefäße nähen.»
    «Heißt das ... dass alles aus ist?»
    «Das kann man nicht so einfach sagen, Kommandant Yu. Er könnte trotzdem ganz in Ordnung sein. Der andere Hoden ist völlig gesund. Vielleicht kommt er ja mit einem aus.»
    «Du meinst, er wird keine Probleme haben?»
    «Möglicherweise nicht.»
    «Scheiße!» fluchte Großvater betrübt. «Mir bleibt aber auch nichts erspart.»»
    Als die Unterleibswunde versorgt war, kümmerte sich der Arzt um Vaters Gesicht. Aufatmend fiel er auf seinen Hocker. Schweißdurchtränkt klebte ihm die Kleidung am Körper.
    «Wieviel macht es, Doktor Zhang?»
    «Kümmere dich nicht um mein Honorar, Kommandant Yu. Wenn dein Sohn nur gesund wird, ist das Glück genug für mich», sagte Doktor Zhang mit schwacher Stimme.
    «Herr Doktor Zhang, ich, Yu Zhan’ao, durchlebe derzeit schwere Zeiten. Aber eines Tages werde ich mich bedanken.»
    Er nahm Vater auf den Arm und trug ihn aus dem Haus des Arztes.
    Großvater blickte aufmerksam meinen Vater an, der halb bewusstlos in dem Schuppen lag. Sein Gesicht war mit Gaze bandagiert, nur die flinken Augen blieben sichtbar. Doktor Zhang war einmal zum Verbandwechsel vorbeigekommen. «Kommandant Yu», hatte er gesagt, «es ist keine Infektion aufgetreten, und das ist ein gutes Zeichen.»
    «Also wie war das?» sagte Großvater. «Du hast doch gesagt, dass er mit nur einem zurechtkommt, oder?»
    «Kommandant, darüber können wir uns jetzt noch keine Sorgen machen. Ein toller Hund hat deinen ehrenwerten Sohn gebissen, und wir haben Glück, dass er noch am Leben ist.»»
    «Wenn das Ding nicht funktioniert, könnte er genausogut tot sein.»
    Doktor Zhang warf einen Blick auf Großvaters wutverzerrtes Gesicht, murmelte irgend etwas Höfliches und schlich sich davon.
    Großvater griff nach seinem Gewehr und machte einen Spaziergang zum Gelände neben dem Sumpf, um seine wirren Gedanken zu ordnen. Überall sah man die traurigen Zeichen des Herbstes. Der Boden war reifbedeckt, die gelben Schößlinge der Hirsepflanzen waren erfroren, und auf dem feuchten Sumpfboden lagen kalte weiße Dornenranken. Der Oktober ging zu Ende, und bald würde die Kälte einsetzen. Großvater fühlte sich krank und sehr schwach, sein Sohn rang mit dem Tode, die Familie war zerbrochen. Einige waren weit weg und andere tot, das Volk litt. Wang Guang und Dezhi waren tot, der lahme Guo Yang war weit in die Ferne gezogen, das Geschwür am Bein der alten Frau Liu sonderte noch immer Blut und Eiter ab, der Blinde saß den ganzen Tag untätig da, das Mädchen Qian’er war zu jung, um das alles zu verstehen, und er selbst stand im Kreuzfeuer zwischen den Jiao- Gao-Truppen und der Gefolgschaft des pockennarbigen Leng, für die Japaner war er der Erzfeind ...
    Auf seinen Stock gestützt, erstieg er einen Hügel im Sumpfland und ließ seinen Blick über zerbrochene menschliche Körper und Hirsehalme

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