Das Rote Kornfeld
Liu mit Großvater schlief.
«Qian’er», sagte Liu, «du bist jetzt fünfzehn und kein Kind mehr. Versuch mit Douguans Glied zu spielen, und wenn es hart wird, ist er der Mann für dich.»
Mutter war so verlegen, dass sie beinahe geweint hätte.
Vater wurden die Fäden gezogen.
Mutter schlich sich in den Schuppen, in dem Vater schlief, und näherte sich mit glühenden Wangen auf Zehenspitzen seiner Bettstatt. Sie kniete neben seinem Lager nieder und zog ihm vorsichtig die Hosen herunter. Im fahlen Licht, das in das Zimmer drang, betrachtete sie sein verletztes, verformtes Glied. Die Eichel starrte sie wild, stolz und herausfordernd an. Schüchtern nahm sie es in die verschwitzte Hand und fühlte, wie es wärmer und dicker wurde. Es begann zu zucken wie ihr Herz. Vater wachte auf und warf ihr aus halbgeschlossenem Auge einen Blick zu. «Was machst du da, Qian’er?»
Mutter quietschte vor Schreck, sprang auf und rannte aus dem Zimmer. Dabei lief sie Großvater direkt in die Arme.
Großvater packte sie an der Schulter und fragte: «Was ist los, Qian’er?»
Mutter brach in Tränen aus, riss sich von Großvater los und rannte davon.
Großvater stürzte in den Schuppen. Dann stürzte er wie ein Wahnsinniger wieder aus dem Schuppen heraus und rannte direkt zu Liu. Er griff nach ihren Brüsten und presste sie. «Einzehiger Knoblauch ist der schärfste», rief er triumphierend. «Einzehiger Knoblauch ist der schärfste!»
Großvater gab drei Schüsse in die Luft ab. Dann schlug er die Hände vor der Brust zusammen und rief:
«Der Himmel hat uns nicht vergessen!»
9
Großvater klopfte mit den Knöcheln die Wand ab. Der Sonnenschein, der durchs Fenster drang, wurde von der polierten Gaomi- Statuette auf dem Tisch zurückgeworfen. Das Fenster war von Papier bedeckt, das Großmutter zu seltsamen, verwinkelten Scherenschnitten gestaltet hatte. Fünf Tage später sollte das ganze Haus in einem schrecklichen Kampf zu Schutt und Asche werden. Es war der zehnte Tag des achten Monats nach dem alten Kalender im Jahre 1939. Großvater war gerade erst von der Landstraße zurückgekehrt. Er trug einen Arm in der Schlinge und roch nach Benzin. Vater und er hatten das japanische Maschinengewehr mit dem verdrehten Lauf unter dem alten Baum im Hof vergraben und suchten im Haus nach Geld, das Großmutter irgendwo versteckt hatte.
Als es hinter der Wand hohl klang, griff Großvater zur Pistole und schlug mit dem Griff ein Loch in die Mauer. Dann griff er hinein und holte ein rotes Stoffpaket heraus. Er schüttelte es. Es klimperte. Er schüttete den Inhalt auf die Bettstatt: fünfzig Silberdollar.
Großvater steckte das Geld ein und sagte: «Gehen wir, Sohn!»
«Wohin, Vater?»
«In die Stadt, Munition kaufen. Ich habe noch eine Rechnung mit Pockennarbe Leng zu begleichen.»
Als Vater und Großvater an die nördliche Stadtmauer kamen, war die Sonne kurz davor unterzugehen. Auf den Gleisen der Eisenbahnlinie von Jiaoping nach Jinan, die sich als dunkle Spur durch die Hirsefelder schlängelten, puffte eine schwarze Lokomotive, die dunkle Rauchwolken über die Hirse stieß. Das Licht, das sich wie Drachenschuppen in den Schienen spiegelte, blendete sie. Das laute Pfeifen der Dampflokomotive erschreckte Vater, und er klammerte sich an Großvaters Hand.
Großvater führte ihn zu einem massigen Grabhügel, vor dem ein zwei Mann hoher weißer Grabstein stand. Die eingemeißelte Inschrift war kaum mehr lesbar, und die Bäume in der Gegend waren so dick, dass zwei Männer sie kaum mit den Armen hätten umspannen können. Das schwarze Blätterdach raschelte auch bei Windstille, und das Grab lag wie eine schwarze Insel zwischen blutroten Hirsestauden.
Großvater grub vor dem Grabstein ein kleines Loch und warf seine Pistole hinein. Vater legte seinen Browning daneben.
Sie überquerten die Schienen und blickten zu dem hohen Tor in der Stadtmauer auf, über dem die japanische Flagge wehte. Die aufgehende Sonne mit ihren roten Strahlen flatterte munter im Wind und spiegelte die untergehende Abendsonne wider. Zu beiden Seiten des Tores standen Wachposten : links ein Japaner, rechts ein Chinese. Der chinesische Soldat befragte die Passanten, die in die Stadt wollten, und durchsuchte sie, während der japanische Soldat mit geschultertem Gewehr daneben stand und den chinesischen Soldaten beim Durchsuchen beaufsichtigte.
Nachdem sie die Gleise überquert hatten, nahm Großvater Vater auf die Schulter und flüsterte ihm ins Ohr:
Weitere Kostenlose Bücher