Das Rote Kornfeld
ihretwillen ist der Schwarze Herr bereit, dich aufzunehmen.»»
«Ich brauche dein verdammtes Mitleid nicht! Irgendwann einmal werden wir beide die Sache endgültig klären. Wir sind noch nicht fertig miteinander.»
«Meinst du, ich hätte Angst vor dir?» Schwarzauge streichelte den Revolver an seiner Hüfte. «Ich weiß auch, wie man mit so einem Ding umgeht.»
Ein gutaussehender junger Soldat der Eisengesellschaft sprang von der Böschung und hielt seinen Anführer zurück. Mit bescheidener Miene sagte er: «Kommandant Yu, seit langem empfinden die Soldaten der Eisengesellschaft Respekt vor dir. Es wäre eine Ehre für uns, wenn du dich uns anschließen würdest. Wir alle tragen Verantwortung dafür, dass unser Land nicht zerrissen wird. Wir müssen unsere Streitigkeiten beilegen und die Japaner vertreiben. Alte Rechnungen können warten.»
Großvater war fasziniert von dem Mann, der ihn an seinen eigenen Adjutanten, den mutigen jungen Ren, und dessen tragischen Tod beim Waffenreinigen erinnerte. «Bist du Mitglied der Kommunistischen Partei?» fragte er spöttisch.
«Weder der Kommunistischen Partei noch der Guomindang», erwiderte der junge Mann. «Ich hasse beide.»
«Nicht schlecht», sagte Großvater zustimmend.
«Ich heiße Wuluan.»
«Jetzt weiß ich, wer du bist», sagte Großvater und schüttelte ihm die Hand.
Vater stand lange Zeit bewegungslos neben Großvater und starrte neugierig auf die ausrasierten Stirnen der Soldaten der Eisengesellschaft, aber er kam nicht dahinter, was dieses Erkennungszeichen zu bedeuten hatte.
6
Großvater und Lian’er liebten sich drei Tage und drei Nächte lang wie die Wilden. Ihre von Natur üppigen Lippen waren aufgetrieben und geschwollen. Bluttropfen sickerten in die Lücken zwischen ihren Zähnen, und wenn Großvater sie küsste, trieb ihn der Blutgeschmack fast zum Wahnsinn. Die ganzen drei Tage hörte es nicht auf zu regnen, und wenn das blau-goldene Licht im Zimmer schwand, trug die Luft von den Feldern das Knistern der graugrünen Hirse, das wässrige Quaken der Frösche und die nagenden Geräusche der Wildkaninchen mit sich. Die kühle, schwere Luft war in tausend Gerüche getränkt. Der stärkste darunter war der des schwarzen Maultiers. Es stand die ganze Zeit zwanzig Zentimeter hoch im Wasser. Der Geruch war für Großvater, dem klar war, dass er dem blöden Vieh früher oder später das Gehirn aus dem Schädel pusten musste, eine Bedrohung. Ein paar Mal griff er zur Pistole, aber jedes Mal brannten die goldenen Flammen im Zimmer heller als zuvor.
Als Großvater am Morgen des vierten Tages neben Lian’er erwachte, fiel ihm auf, wie hager und knochig sie geworden war. Unter den geschlossenen Augen waren purpurrote Ringe zu sehen, die Lippen waren aufgesprungen und begannen sich zu schälen. Er hörte das laute Krachen eines Hauses, das im Dorf einstürzte, zog sich schnell an und sprang vom Bett, nur um flach aufs Gesicht zu fallen. Er fühlte sich wie betäubt. Sein Magen knurrte vor Hunger. Mühsam kam er auf die Füße und rief mit schwacher Stimme nach der alten Liu. Keine Antwort. Er ging in das Zimmer, das sich Lian’er mit Liu teilte, aber auf der Bettstatt saß nur ein grüner Frosch. Kein Zeichen von der alten Liu.
Er ging wieder in das Zimmer, vor dessen Fenster das schwarze Maultier geduldig Wache hielt, griff nach ein paar zerquetschten Soleiern und schlang sie ungeschält herunter. Das regte seinen Appetit erst richtig an. Also ging er in die Küche und durchsuchte den Küchenschrank Er fand vier angeschimmelte Klöße, neun Soleier, zwei Stücke eingelegten Tofu und drei vertrocknete Frühlingszwiebeln. Er schlang alles in sich hinein und spülte mit einem Schluck Erdnussöl nach.
Die Strahlen der Morgensonne lagen blutrot über dem Hirsefeld. Lian’er schlief immer noch, und als Großvater ihren Körper betrachtete, der so glatt war wie das Fell des schwarzen Maultiers, leuchteten goldene Funken vor seinen Augen auf. Aber das Sonnenlicht, das durchs Fenster fiel, verschluckte sie schnell. Er kitzelte ihren Bauch mit der Pistole. Sie erwachte lächelnd, und blaue Flammen schlugen aus ihren Augen. Er stolperte in den Hof und blickte zu der großen runden Sonne auf, die sich seit Tagen zum ersten Mal zeigte. Sie glich einem neugeborenen feuchten Säugling, den noch das Blut seiner Mutter bedeckt. Ringsumher leuchteten die Regenpfützen in hellem Rot. Das Wasser auf der Straße strömte gurgelnd in die Felder, und die Hirse
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