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Das Rote Kornfeld

Das Rote Kornfeld

Titel: Das Rote Kornfeld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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stand halb unter Wasser wie Schilf in einem See.
    Als der Wasserspiegel im Hof sank, kam allmählich die weiche, schwammige Erde zum Vorschein. Die Mauer zwischen dem östlichen und dem westlichen Gehöft war eingestürzt. Onkel Luohan, die alte Liu und die Brennereiarbeiter stürzten ins Freie, um die Sonne zu sehen. Großvater bemerkte, dass eine grüne Rostschicht ihre Gesichter und Hände bedeckte.
    «Habt ihr da drinnen drei Tage und drei Nächte lang Glücksspiele gespielt?»
    «Ja», antwortete Onkel Luohan, «drei Tage und drei Nächte.»
    «Das Maultier ist da steckengeblieben, wo letztes Jahr der Keller war», sagte Großvater. «Holt Stricke und zieht es raus.»
    Sie zogen Stricke unter dem Bauch des Maultiers durch, banden sie auf seinem Rücken zusammen, schoben ein paar dicke Tragstangen darunter, und dann zogen ein Dutzend Männer mit aller Kraft die Beine des Maultiers aus dem Boden wie Mohrrüben.
    Als der Regen endlich aufgehört hatte und der Himmel klar war, ging das Wasser schnell zurück. Der Schlamm, der zurückblieb, war feucht und glänzend wie Fett. Mit Vater im Arm ritt Großmutter auf ihrem schwarzen Maultier über den klebrigen Matsch der Felder heran. Beine und Bauch des Maultiers waren voll von Schlammflecken. Als sie den vertrauten Geruch des Gefährten rochen, fingen die zwei Maultiere, die so lange getrennt gewesen waren, an, am Boden zu scharren, mit den Köpfen zu nicken und laut zu schreien. Als man sie an den Futtertrog führte, stießen sie einander freundlich an und knabberten aneinander.
    Verlegen ging Großvater ihnen entgegen und nahm Großmutter seinen Sohn aus dem Arm. Ihre Augen waren rot geschwollen, und sie roch ein wenig nach Schimmel. «Ist alles erledigt?» fragte Großvater.
    «Wir haben sie heute früh beerdigt. Noch zwei Tage Regen, und die Maden hätten sie gefressen.»»
    «Das war wirklich eine Menge Regen. Die Milchstraße muss ein Loch im Boden gehabt haben.» Er wandte sich meinem Vater zu. «Hallo, Douguan, sag deinem Pflegevater guten Tag.»
    «Pflegevater? Das ist aber eine trockene Beziehung», schalt ihn Großmutter. «Eure Beziehung ist eher feucht und eng. Halte ihn ein bisschen, solange ich reingehe und mir etwas Trockenes anziehe.»
    Großvater ging mit Vater im Hof spazieren und zeigte ihm die Löcher in der Erde, in denen die Beine des Maultiers gesteckt hatten. «Douguan», sagte er zärtlich, «kleiner Douguan, siehst du das? Da hat das große Maultier drei Tage lang festgesessen.»
    Lian’er kam mit einer Messingschüssel heraus, um Wasser zu holen. Sie biss sich auf die Lippe. Großvater lächelte sie wissend an, und sie warf ihm einen verärgerten Blick zu.
    «Was ist los?» fragte er.
    «Der verdammte Regen war an allem schuld», antwortete sie kurz angebunden.
    «Was hast du gesagt?» hörte Großvater Großmutter fragen, als sie das Wasser hineintrug.
    «Nichts.»
    «Hast du nicht gesagt, der verdammte Regen sei an allem schuld gewesen?»»
    «Nein, ich habe nur gesagt, der verdammte Regen sei wohl gefallen, weil die Milchstraße ein Loch im Boden hatte.»
    «Oh», sagte Großmutter. Großvater hörte, wie das Wasser in der Schüssel plätscherte.
    Als Lian’er wieder herauskam, um das Wasser wegzuschütten, sah Großvater, dass ihr Gesicht dunkelrot war, und bemerkte den leeren Blick in ihren Augen.
    Drei Tage später sagte Großmutter, sie werde wieder nach Hause reiten, um Weihrauch für Urgroßmutter zu verbrennen. Als sie mit Vater auf dem schwarzen Maultier saß, sagte sie zu Lian’er: «Ich komme heute abend nicht zurück.»»
    An diesem Abend ging die alte Liu ins östliche Gehöft, um mit den Brennereiarbeitern Glücksspiele zu spielen. Wieder leuchteten goldene Flammen im Zimmer.
    Großmutter ritt in dieser Nacht bei Sternenlicht zurück. Sie stand unter dem Fenster und lauschte dem, was da vor sich ging. Dann hielt sie eine wütende kleine Rede.
    Mit den Fingernägeln riss sie ein Dutzend blutige Linien in Lian’ers Gesicht und schlug Großvater kräftig auf die linke Wange. Er lachte nur. Sie hob noch einmal die Hand, aber bevor sie auf seiner Wange landete, wurde sie schwach und strich ihm nur über die Schulter. Er schlug ihr so kräftig ins Gesicht, dass sie taumelte.
    Großmutter brach in Tränen aus.
    Großvater verließ das Haus und nahm Lian’er mit.
     
     
7
     
    Die Soldaten der Eisengesellschaft machten ein Reitpferd für Großvater und Vater frei. Schwarzauge gab seinem Pferd die Peitsche und setzte sich an die

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