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Das Rote Kornfeld

Das Rote Kornfeld

Titel: Das Rote Kornfeld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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Luohan, eines der Maultiere zu nehmen und das Lösegeld abzuliefern.
    «Haben sie nicht eintausend verlangt?»»
    «Stell keine Fragen», sagte Großvater, «sondern tu, was man dir sagt.»
    Onkel Luohan stieg aufs Maultier und ritt los.
    Kurz vor Tagesende kam er mit Großmutter zurück. Zwei berittene, mit Gewehren bewaffnete Banditen begleiteten sie.
    Als sie Großvater entdeckten, verkündeten sie: «Brennereibesitzer, unser Anführer sagt, von heute an kannst du nachts die Tore offenlassen.»
    Großvater ließ Onkel Luohan einen Krug pissegewürzten Schnaps holen, den er den Räubern mit auf den Weg gab. «Fragt euren Anführer einmal, was er von diesem Hirsebrand hält», sagte er. Hand in Hand gaben sie den Räubern das Geleit bis zur Dorfgrenze.
    Zu Hause angekommen, schloss er das Tor, die Eingangstür und die Schlafzimmertür hinter sich. Arm in Arm lagen Großmutter und er auf der Bettstatt. «Blatternacken hat dir nichts getan, oder?»»
    Großmutter schüttelte den Kopf, aber Tränen liefen über ihre Wangen.
    «Was ist los? Hat er dich vergewaltigt?»
    Sie legte den Kopf an seine Brust. «Nein ... aber er hat meine Brust berührt ...»
    Wütend stand Großvater auf. «Aber mit dem Baby ist alles in Ordnung?»»
    Großmutter nickte.
    Im Frühjahr 1924 ritt Großvater heimlich auf seinem Maultier nach Qingdao und kaufte zwei Pistolen und fünftausend Schuss Munition. Die eine Waffe war ein deutscher Trommelrevolver, die andere ein spanischer Schwanenhals.
    Wieder zu Hause, schloss er sich drei Tage in seinem Zimmer ein, nahm die Pistolen auseinander und setzte sie wieder zusammen. Es war Frühling. Das Eis im Fluss schmolz, und die Fische, die den Winter darunter verbracht hatten, schwammen geruhsam an der Oberfläche herum und spielten in der Sonne. Großvater nahm die Pistolen und einen Korb voll Patronen mit ans Ufer und machte Zielübungen. Er verbrachte das ganze Frühjahr damit, Fische im Fluss abzuschießen. Als es keine großen mehr gab, schoss er auf die kleinen. Hatte er Zuschauer, dann schoss er daneben und traf nichts; aber wenn er allein war, zerschmetterte jeder Schuss einen Fischkopf. Es wurde Sommer, und die Hirse wuchs. Großvater feilte die Visiere beider Pistolen ab.
    In der siebten Nacht des siebten Monats fiel strömender Regen. Es donnerte und blitzte. Großmutter übergab meinen Vater, der beinahe vier Monate alt war, an Lian’er und folgte Großvater in den Laden im Osthof. Sie schlossen die Türen und Fenster und ließen Onkel Luohan eine Öllampe anzünden. Großmutter legte sieben Kupfermünzen wie eine Pflaumenblüte auf die Theke und ging dann aus dem Weg. Großvater stolzierte hinter der Theke auf und ab, dann drehte er sich plötzlich um, zog seine Pistolen und fing an zu feuern. Peng, peng, peng, peng, peng, peng, peng: sieben Schüsse in schneller Folge. Die Kupfermünzen flogen in die Höhe. Drei Kugeln fielen zu Boden, vier blieben in der Wand stecken.
    Großmutter und Großvater traten an die Theke, hielten die Laterne hoch und stellten fest, dass die Tischplatte nicht einen Kratzer aufwies. Er hatte die «Fähigkeit der sieben Pflaumenblüten» erworben.
    Großvater ritt auf dem schwarzen Maultier zum Schnapsladen am östlichen Dorfrand. Spinnweben überwucherten den Türrahmen. Als er die Tür auf stieß und den Laden betrat, schlug ihm ein betäubender Fäulnisgeruch entgegen. Er hielt sich den Ärmel vor die Nase und sah sich um. Der Koreaner hockte unter dem Dachbalken. Eine schmale Bank, die unter seine Knie geschoben war, hielt seinen Körper am Boden. Um seinen Hals war eine Schlinge geknüpft. Die Augen standen offen, und die schwarze Zunge hing ihm aus dem Mund. Das obere Ende des durchtrennten Seils wiegte sich leicht in der frischen Brise, die durch den Raum zog, als Großvater die Tür öffnete.
    Großvater spuckte zweimal aus, um den Geschmack von Tod und Fäulnis aus dem Mund zu vertreiben, und führte das Maultier zum Dorfrand. Dort blieb er lange nachdenklich stehen. Das Maultier scharrte mit den Hufen und versuchte mit seinem haarlosen Schwanz die fetten schwarzen Fliegen zu vertreiben, die es umschwärmten. Schließlich bestieg er das Maultier, das sich auf den Heimweg machen wollte. Aber das harte, kalte Metallmundstück riss seinen Kopf zurück. Großvater schlug ihm die Faust in den Rumpf, und es begann, den Pfad neben dem Hirsefeld entlangzutraben.
    Damals gab es die kleine Holzbrücke über den Schwarzwasserfluß noch, und weil Regenzeit war,

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