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Das Rote Kornfeld

Das Rote Kornfeld

Titel: Das Rote Kornfeld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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entlanglief. Als es etwa zwei Pfeilschuss weit gelaufen war, schoss ein Strahl trübes Wasser aus Großvaters Mund.
    Die Banditen hoben ihn vom Maultier und legten ihn nackt auf die Böschung. Mit glasigen Augen, wie ein toter Fisch, blickte er zu dem großgewachsenen, kräftig gebauten Blatternacken auf.
    Der zog den Regenumhang aus und sagte freundlich lächelnd: «Kleiner, du hast gerade ein zweites Leben geschenkt bekommen.»
    Großvaters aschgraue Wangen zuckten schmerzhaft.
    Blatternacken und seine Männer zogen sich aus und sprangen ins Wasser. Sie waren ausgezeichnete Schwimmer und balgten sich im Wasser. Die Wasser des Schwarzwasserflusses schäumten in alle Himmelsrichtungen auf.
    Langsam stand Großvater auf und warf sich Blatternackens Umhang um die Schultern. Er putzte die Nase, spuckte aus und reckte sich. Sein Sattel war tropfnass. Also trocknete er ihn mit Blatternackens Kleidern ab. Das Maultier reckte Großvater seinen seidig glänzenden Hals entgegen.
    Er tätschelte es. «Geduld, Schwarzer, nur Geduld.»»
    Die Banditen schwammen wie ein Entenschwarm auf das Flussufer zu. Großvater hob seine Pistolen auf und gab eine perfekte Folge von sieben Schüssen ab. Blut und Hirn von sieben Banditen ergossen sich in die grausamen, herzlosen Fluten des Schwarzwasserflusses.
    Großvater gab weitere sieben Schüsse ab.
    Inzwischen war es Blatternacken gelungen, an Land zu kriechen. Das Flusswasser hatte sein Gesicht weiß wie Schneeflocken gewaschen. Furchtlos stand er in einem Haufen von welkem Ufergras und bemerkte respektvoll: «Gut geschossen.»
    Die goldene Sonne am Himmel ließ die Wassertropfen aufleuchten, die über seinen nackten Körper liefen.
    «Blatternacken», fragte Großvater, «hast du meine Frau angerührt?»
    «Schäm dich!»»
    «Wie bist du in dieses Geschäft geraten?»»
    «Du wirst auch nicht im Bett sterben»», antwortete Blatternacken.
    «Willst du nicht wieder ins Wasser gehen?»»
    Blatternacken ging langsam rückwärts, bis er im seichten Wasser stand. «Schieß hierher»», sagte er und deutete auf sein Herz, «der Kopf macht eine zu große Schweinerei.»
    «Gut», sagte Großvater.
    Großvaters sieben Kugeln verwandelten Blatternackens Herz in eine Bienenwabe. Blatternacken stöhnte nur einmal auf und fiel dann rückwärts ins Wasser. Einen Augenblick lang ragten die Beine aus dem Wasser wie die Flossen eines großen Fisches, dann sank er auf den Grund.
    Am nächsten Morgen ritten Großvater und Großmutter auf ihren schwarzen Maultieren zu Urgroßvater, der damit beschäftigt war, Glücksamulette aus Silber zu gießen. Als sie hereinstürmten, stieß er vor Schreck den Schmelzkessel um.
    «Wie ich höre, hat dir Cao Mengjiu zehn Silberdollar Belohnung gezahlt», sagte Großvater.
    «Bitte verschone mich, ehrenwerter Herr Schwiegersohn ... » Urgroßvater fiel auf die Knie.
    Großvater zog zehn Silberdollar aus dem Ärmel und legte sie auf Urgroßvaters glänzenden kahlen Kopf.
    «Halt den Kopf hoch und bewege dich nicht», befahl er.
    Er trat ein paar Schritt zurück. Peng! Peng! Zwei Silberdollar segelten durch die Luft.
    Noch zwei Schüsse, und zwei weitere Silberdollar flogen zu Boden.
    Bei Großvaters zehntem Schuss lag Urgroßvater, der immer mehr in sich zusammenschrumpfte, als winselndes Häufchen auf dem Boden.
    Großmutter zog hundert Silberdollar aus der Tasche und warf sie auf den silbrig schimmernden Fußboden.
     
     
11
     
    Großvater und Vater kehrten zu ihrem Haus zurück, das bis auf die Grundmauern zerstört war, und holten fünfzig Silberdollar aus einem Wandversteck Dann verkleideten sie sich als Bettler und gingen zu einem kleinen Laden in der Nähe des Bahnhofs, vor dem eine rote Laterne hing. Sie kauften einer dick geschminkten Frau fünfhundert Patronen ab. Dann versteckten sie sich für ein paar Tage, bis sie sich zum Stadttor hinaus schleichen konnten. Sie hatten noch eine Rechnung mit dem pockennarbigen Leng zu begleichen.
    Als Großvater und Vater den Ziegenbock, der mit seinen verstopften Gedärmen kurz vor dem Platzen stand, in das Hirsefeld am Westrand des Dorfs trieben, war der Nachmittag des sechsten Tages nach dem Hinterhalt und der Schlacht am Schwarzwasserfluß angebrochen : der fünfzehnte Tag des achten Monats nach dem alten Kalender im Jahre 1939. Mehr als vierhundert japanische Teufel und sechshundert von ihren chinesischen Marionetten hatten unser Dorf eingekreist. Großvater und Vater schnitten dem Ziegenbock eilig das Hinterteil auf,

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