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Das Rote Kreuz - Geschichte einer humanitaeren Weltbewegung

Das Rote Kreuz - Geschichte einer humanitaeren Weltbewegung

Titel: Das Rote Kreuz - Geschichte einer humanitaeren Weltbewegung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel-Erasmus Khan
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Phosgen oder S-Lost zu verlieren? Im Lichte der Rotkreuzphilosophie aber ist auch dieser «präventive Ansatz» einer Humanisierung der Kriegführung konsequent: Letztlich geht es allein darum, die Folgen des Krieges für das Individuum zu minimieren. Ob und aus welchen Gründen Waffen als Mittel der Politik zum Einsatz kommen oder eben auch nicht, das kann aus dieser bewusst beschränkten Perspektive auf das Phänomen des Krieges hingegen keine entscheidende Rolle spielen.
    Heute unter dem Namen «Humanitäres Völkerrecht» zusammengefasst, verfolgen Regelungen bzw. Beschränkungen der zulässigen Mittel zur Schädigung des Gegners (sog. Haager Recht) und solche zum Schutz der Konfliktopfer (sog. Genfer Recht) damit letztlich dasselbe Ziel: die Vermeidung unnötiger Leiden im Krieg. Und genauso lautet denn auch seit der Petersburger Erklärung die zentrale Begründung für vertragliche Einschränkungen der Art und Weise der Kriegführung, ebenso wie zuvor bereits für Dunants flammendes Plädoyer für eine Verbesserung der Sanitätsdienste. Auch wenn das Rote Kreuz bis heute seinen Kernauftrag im Bereich des praktischen, aber auch legislativen Opferschutzes sieht, so hat es doch von Anfang an die Entwicklungdes gesamten Humanitären Völkerrechts entscheidend gefördert. Dem liegt nicht zuletzt die Einsicht zugrunde, dass sich unter den heutigen Bedingungen der Kriegführung Opfer- und Tätersphäre gar nicht mehr trennscharf unterscheiden lassen. So mögen Antipersonenminen zwar den primären Zweck verfolgen, den Vormarsch eines militärischen Gegners zu erschweren. Opfer dieses Mittels der Kriegführung sind aber in Wahrheit in erster Linie Zivilisten: Von den etwa eine Million Menschen, die in den vergangenen 30 Jahren Opfer von Landminen geworden sind, waren 80 Prozent Zivilisten.
    Mangels Staatsqualität konnte das Rote Kreuz zwar regelmäßig nicht selbst Vertreter an den Verhandlungstisch internationaler Konferenzen entsenden. Nicht anders als bereits 1864 war das Komitee aber zumindest im Hintergrund stets mit moralischer Autorität, Expertise und konkreten Initiativen präsent. «Ganz selbstverständlich» hatte so etwa 1879 eine noch junge, aber bereits mit höchstem Renommee ausgestattete Gelehrtenvereinigung, das «Institut de Droit International», eines ihrer Gründungsmitglieder mit der Anfertigung eines Handbuchs zu den Gesetzen des Landkrieges beauftragt: Gustave Moynier, amtierender Präsident des Internationalen Komitees in Genf. Selbstverständlich bildeten dieses Handbuch und verschiedene Beschlüsse der Rotkreuzkonferenzen sodann wichtige Grundlagen und Impulse für die Haager Friedenskonferenzen von 1899/1907, auf denen umfassende Regelwerke zur Land- und Seekriegsführung verhandelt und verabschiedet wurden. Auch wenn sich die Schweiz immer dagegen verwahrte, als bloßes Sprachrohr des Genfer Komitees wahrgenommen zu werden, so hatte die Rotkreuzbewegung mit diesem Staat, dem dank seiner Neutralität bei der Verhandlung von Fragen zu Krieg und Frieden ein hohes politisches und moralisches Gewicht zukam, doch regelmäßig einen wichtigen Fürsprecher für ihre humanitären Anliegen. Auch insoweit konnte eine gewisse personelle Verflechtung nicht schaden. In Den Haag standen 1899 und 1907 mit dem Problem der Kriegsgefangenen, dem Besatzungsrecht sowie der Ächtung bestimmter «barbarischer» Waffen Kernthemen der Rotkreuzbewegung auf der Agenda. Höchstaktive Mitglieder der Schweizer Delegation waren 1899 der Sekretär und spätere Vizepräsident des Genfer Komitees, Edouard Odier, sowie 1907 sodann der erst 31-jährige Max Huber. Dieser sollte 20 Jahre später Präsident des IKRK in Genf werden und die Bewegung durch ihre wohl schwierigste Phase, den Zweiten Weltkrieg, führen.
    Auf der Friedenskonferenz des Jahres 1907 drohte das Genfer Werk zum Opfer des Erfolgs der hinter ihm stehenden humanitären Idee zu werden. Mit der «Haager Landkriegsordnung» setzten die Staaten hier einen weiteren Meilenstein auf dem Weg zu einer Humanisierung der Kriegführung. Gab es daneben überhaupt noch Raum für das «alte» Genfer Recht? Diese Frage wurde ernsthaft diskutiert. Und so musste es aus Sicht der Rotkreuzbewegung in der Tat als großer Erfolg gewertet werden, dass die Genfer Konvention ihre Eigenständigkeit und damit ihren spezifischen «Rotkreuzcharakter» behaupten konnte. Ja, einem langjährigen Wunsch des IKRK folgend gelang es auf dieser Konferenz sogar, die Bestimmungen der Genfer

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