Das rote Licht des Mondes: Historischer Kriminalroman (German Edition)
Schlimmste. Doch gegen zwei Uhr in der Nacht tönten ganz andere Schreie aus dem Zimmer – ganz unverwechselbar ein Säugling. Finchen hatte es geschafft.
Eine Weile noch waren die Frauen beschäftigt, dann riefen sie Borghoff und Wilhelm dazu. Finchen lag, die schweißnassen Haare gekämmt, erschöpft, aber lächelnd, in Claras Bett, im Arm das Kind, das gewaschen und gestillt worden war und nun in ein weißes Tuch gewickelt friedlich schlief.
«Es ist ein Junge», sagte Lina. So hatte Borghoff sie noch nie gesehen, ihre Schürze war blutig, ihre Frisur in Auflösung begriffen, aber ihre Wangen waren gerötet, und sie lächelte glücklich.
«Ich würde ihn gern Robert nennen», sagte Finchen. «Weil Sie mich gerettet haben, Herr Commissar.»
Einen Augenblick lang war Robert sprachlos. Dann sagte er: «Ich fühle mich geehrt, Finchen. Aber wenn du nichts dagegen hast, dann würde ich mir wünschen, dass du den Kleinen Oskar nennst. Das war mein älterer Bruder, der leider viel zu früh verstorben ist.»
«Gut», sagte Finchen. «Dann soll er Oskar heißen. Das ist ein sehr schöner Name.»
Oskar öffnete die Augen und gähnte.
«Die beiden brauchen jetzt Ruhe», sagte die Hebamme streng, die ihre Sachen zusammenpackte. Lina ging in ihr Zimmer, um sie zu bezahlen, aber Clara kam ihr zuvor.
«Das ist das erste Kind, das in diesem Hause geboren wurde.» Sie sah dabei Wilhelm an. «Es ist eine solche Freude, dass der Kleine gesund zur Welt gekommen ist, da will ich nicht kleinlich sein.»
«Ich habe einen guten Cognac», sagte Borghoff plötzlich. «Ich denke, wir sollten auf den kleinen Oskar anstoßen.»
Er ging hinauf und holte die Flasche, während Clara Gläser brachte. Antonie hatte leise das Schlafzimmer aufgeräumt und wollte hinauf in ihr Zimmer, aber Lina hielt sie zurück. «Du bekommst selbstverständlich auch ein Gläschen, Antonie. Du hast dich wacker geschlagen da drin.»
So wurde es noch eine fröhliche Gesellschaft. Nach dem Cognac kam eine Flasche roter Ahrwein an die Reihe, der schon lange in Claras Keller lag.
«Ich habe ihn für eine besondere Gelegenheit aufbewahrt», sagte sie. «Und wenn eine Geburt das nicht ist, was sonst?»
Es war fast fünf Uhr morgens, als endlich alle zu Bett gingen, Clara hinauf in das kleine Dachzimmer. Robert ging als Letzter.
«Das war sehr knapp heute Abend, beinah hätten wir Finchen verloren», sagte er leise. «Wir werden sehr auf sie aufpassen müssen.»
Lina nickte. «Sie sind sehr dreist geworden, sie sich mitten in der Stadt greifen zu wollen. Wo wird das nur hinführen?»
«Jetzt ist sie jedenfalls sicher, Lina, und das ist die Hauptsache. So ein wunderschönes kleines Kind!» Er lächelte dabei, und sein sonst so grimmig wirkendes Gesicht wurde einen Moment lang ganz weich.
«Lassen Sie uns morgen beratschlagen, was zu tun ist. Ich bin einfach zu müde», sagte Lina.
«Sicher.» Langsam stieg er die Treppe hinauf.
Die Nacht war kurz gewesen. Das Geschrei des Kindes im Zimmer gegenüber weckte Lina. Ansonsten war im Haus alles still, und draußen war es bereits hell. Sie zog sich ihren Morgenmantel an und hinkte barfuß die Treppe hinauf, um Antonie und Clara zu wecken.
Wenig später war Antonie in der Küche beschäftigt, und Lina kam fertig angezogen hinunter. Sie hatte kurz nach Finchen gesehen, die gut mit dem Stillen zurechtkam und ein zufriedenes Kerlchen im Arm hielt.
Nach und nach kamen auch Wilhelm, Clara und Robert Borghoff hinunter. Allen war die lange Nacht anzusehen. Sie saßen gemeinsam um den Küchentisch und waren immer noch vergnügt ob des kleinen, gesunden Bengelchens oben.
Etwas verlegen griff Borghoff in seine Tasche und holte eine Handvoll Münzen heraus. «Liebe Frau Dahlmann, ich habe gestern Nacht noch nachgedacht. Angesichts der Bösewichter, die Finchen verfolgt haben, ist sie hier zurzeit am sichersten, wegen des Ladens ist immer jemand im Haus. Aber es kann niemand von Ihnen verlangen, dass Sie sie hier umsonst beherbergen und verköstigen. Deshalb …» Er schob die Münzen zu Clara hinüber. «Ich hoffe, es reicht eine Weile. Und wenn sie vom Kindbett genesen ist, wird sie sich bestimmt auch hier nützlich machen.»
Clara sah auf die Münzen und nahm dann einen einzelnen Thaler. «Das wird für den Monat reichen, danke.»
Lina, die selbst darüber nachgedacht hatte, Clara Geld zu geben, wusste, dass das sehr großzügig von ihr war. «Dann bleibt sie erst einmal hier?»
Clara nickte. «Wir werden den
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