Das rote Licht des Mondes: Historischer Kriminalroman (German Edition)
nickte. «Ich werde noch heute Nacht in die Keller hinabsteigen. Aber zuerst muss ich der Bürgerwehr Bescheid sagen.» Er strich Lina zaghaft über den Arm. «Wir haben den 22. Oktober. Zumindest bis zum Vollmond am 25. werden sie ihm nichts anhaben.»
Lina griff nach seiner Hand. «Bitte finden Sie den Kleinen.»
«Ich werde ihn finden.»
Borghoff hatte den Hauptmann der Bürgerwehr aus dem Haus geholt. Er und seine Leute würden die Stadt durchkämmen. Er selbst machte sich allein mit einer Laterne ausgerüstet und seiner alten Armeepistole auf den Weg zur katholischen Kirche, um dort in den Schmuggelkeller zu steigen. Doch er fand den Eingang verschlossen: Man hatte die Öffnung zugemauert. Enttäuscht ließ er sich auf die kleine Bank sinken, auf der Lina mit Pater Johannes gesessen hatte.
Er zuckte zusammen, als plötzlich eine schwarzgekleidete Gestalt um die Kirche bog, aber dann erkannte er Pfarrer Mancy, der das Licht bemerkt hatte.
«Ach, Sie sind es, Herr Commissar», rief der Pfarrer aus. «Wollten Sie hinunter in die Keller?»
«Sie kennen den Eingang?», fragte Borghoff verblüfft.
«Ja, natürlich.» Mancy setzte sich zu ihm. «Er lag zwar verborgen hinter den Sträuchern, aber ich hatte ihn gleich in meinem ersten Jahr hier entdeckt. Und es war nicht zu überhören, dass der Eingang zugemauert wurde in den letzten Tagen.»
«Haben Sie schon mal Geräusche von dort unten gehört?»
Mancy nickte. «Seit etwa einem Jahr. Und sie klangen …» Er lächelte. «Im ersten Moment habe ich gedacht, es würde ein Gottesdienst dort unten abgehalten. Aber ich glaube, es war etwas anderes, etwas … Böses. Pater Johannes hat davon gewusst, oder?»
Borghoff nickte bedächtig. «Ich weiß leider nichts Genaues. Als ich selbst dort unten war, nach seinem Tod, konnte ich nichts finden, außer einem seiner Knöpfe.»
«Aber Sie haben nichts unternommen.»
«Nein. Es handelt sich um ehrbare Bürger, und der Bürgermeister will nichts davon hören.»
Mancy lächelte, aber diesmal konnte man ihm selbst im Schein der Laterne den Spott ansehen. «Ich gehe davon aus, dass Sie mit ihm gar nicht darüber gesprochen haben.»
«Nein das habe ich nicht.» Borghoff seufzte. «Es ist sehr schwierig, jemandem in dieser aufgeklärten Zeit davon zu überzeugen, dass es in Ruhrort teuflische Riten und Besessenheit gibt.»
«Besessenheit?» Mancy hob die Brauen. «Nun verstehe ich einiges. Auch den Mord an Pater Johannes.»
«Sie haben mir damals nicht gesagt, dass er ein Exorzist war.»
«Ich ging davon aus, einen aufgeklärten Protestanten vor mir zu haben, dem ich mit katholischem Aberglauben nicht kommen durfte, sollte ich noch jemals von ihm ernst genommen werden wollen.» Der Pfarrer stand auf und rieb sich die Hände. «Es ist kalt geworden. Warum wollten Sie eigentlich in die Schmuggelkeller?»
«Sie haben einen Säugling entführt. Und der Sabbat findet entweder am 25. statt, wenn Vollmond ist, oder am 31.»
«Sie?»
«Der Orden, die Teufelssekte, wie immer Sie sie nennen wollen.» Auch Borghoff stand auf. «Ich muss mir etwas einfallen lassen, um das Kind rechtzeitig zu finden.»
«Vielleicht kann ich Ihnen helfen», sagte Mancy langsam. «Oder vielmehr mein protestantischer Amtsbruder Pfarrer Wortmann. Er hat einmal erzählt, dass es im Kirchenarchiv Pläne von den Kellern gibt. Der Schmuggel damals ließ sich am unauffälligsten über die Kirche abwickeln.»
«Pläne? Das wäre gut. Es muss ja noch mehr Eingänge geben.» Borghoff wollte gerade vorschlagen, gleich beim evangelischen Pfarrer vorbeizusehen, doch da kam Schröder auf sie zugelaufen.
«Gott sei Dank sind Sie hier, Herr Commissar, und nicht da unten in den Kellern, wie Fräulein Kaufmeister vermutet hatte.»
«Ist der Kleine gefunden worden?», fragte Borghoff.
«Nein.» Schröder nickte dem Pfarrer zu. «Aber das muss jetzt warten. Dr. Erbling hat seine Frau erschlagen.»
«Ich muss los», sagte Borghoff sichtlich erschüttert.
«Gehen Sie nur, Herr Commissar. Ich werde gleich morgen mit meinem Freund Wortmann sprechen.»
Nachbarn auf der Kleinen Straße hatten die Polizei geholt, weil Schreie und Lärm aus dem Haus des Doktors drangen. Sie hatte versucht, ins Haus zu kommen, aber die Türen waren verschlossen. Ebel hatte zwar gegen die Tür gehämmert, aber zu der Zeit war schon alles wieder still. Dann hatte das völlig verschreckte Hausmädchen die Tür geöffnet. Es zitterte am ganzen Leib, und kein klares Wort war aus
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