Das rote Licht des Mondes: Historischer Kriminalroman (German Edition)
Gefallen tun? Da drin soll der Commissar Borghoff sitzen …»
Schremper nickte.
«Könnten Sie hineingehen und ihn bitten, kurz zu mir herauszukommen? Es ist wichtig.»
Schremper schien sich zwar zu wundern, aber er ging prompt wieder zurück in den Schankraum und kam kurz darauf mit Borghoff wieder. Man sah, dass er gern gehört hätte, worum es ging, aber nachdem Lina sich höflich bedankt hatte, blieb ihm nichts anderes übrig, als sich zu verabschieden.
«Fräulein Kaufmeister, wie kann ich Ihnen helfen?», fragte Borghoff. Er sah Finchen und lächelte. «Sie haben also wieder Begleitung …»
«Ja. Aber wenn es Ihnen nichts ausmacht, uns nach Hause zu bringen, könnte ich Ihnen unterwegs etwas erzählen.»
Borghoff willigte ein und passte sich Linas Tempo an.
«Es ist etwas heikel», begann Lina. Dann erzählte sie, was am Mittag passiert war und was ihr die Jungen am Abend versichert hatten.
«Und Sie glauben den beiden?»
Lina nickte. «Die Angst stand Josef ins Gesicht geschrieben. Und beide haben zu viel erlebt, sie sind vernünftiger als andere Kinder in ihrem Alter. Und dann muss ich immer an das tote Mädchen denken und ihr verschwundenes Kind.»
Sie sah Borghoff an, dass ihm der Gedanke auch schon gekommen war. «Nun, es kann ja nicht schaden, nach der Frau zu suchen und sich das Bündel, falls sie es noch hat, näher anzusehen.»
«Ja», sagte Lina erleichtert, «und wenn es doch nur kindliche Einbildung aufgrund des schlimmen Anblicks der Bettlerin war, dann können wir wenigstens sicher sein.»
Borghoff entlockte das «wir» ein kleines Lächeln. «Ich werde mich darum kümmern. Ich schicke Ebel noch heute Abend los, die Verrückte zu suchen.» Er wechselte das Thema. «Ihr Bruder muss Ihre Schwester morgen noch anmelden», sagte er.
«Aber sie ist doch keine Fremde», sagte Lina entrüstet. «Sie ist in Ruhrort geboren.»
«So sind die Vorschriften.» Er blieb stehen und sah Lina direkt an. «Ihre Abreise aus Brüssel ist nicht unbemerkt geblieben. Ich habe den Auftrag bekommen, sie streng zu überwachen, für den Fall, dass ihr Mann hier auftaucht.»
«Justus ist in London.»
«Ich weiß.» Er sah sich kurz um, ob jemand in der Nähe war, und zog Lina ein Stück von Finchen weg. «Bitte nehmen Sie einen Rat von mir an, Fräulein Kaufmeister.» Er flüsterte fast. «Sagen Sie Ihrer Schwester, sie soll keine Briefe mit der Königlichen Post senden. Sie haben durch Ihre Schiffe doch andere Möglichkeiten, Briefe zu befördern.»
Lina blickte entrüstet zu ihm hoch. «Heißt das, ihre Briefe werden geöffnet?»
«Sie haben mich ganz gut verstanden.» Er war nicht bereit, mehr dazu zu sagen, und ging wieder weiter. Finchen lief dicht hinter ihnen.
Sie bogen in die Carlstraße ein, und plötzlich stolperte Lina über einen losen Pflasterstein. Borghoff konnte sie gerade noch auffangen.
«Danke», sagte sie. «Auch für den Rat. Ich denke, die paar Schritte bis zu unserem Haus können wir jetzt auch allein gehen.»
«Ich danke Ihnen, Fräulein Kaufmeister. Obwohl ich hoffe, dass sich die Jungen geirrt haben.»
Als er sich verabschiedet hatte, sah Lina Finchen ernst an. «Du erzählst niemandem, worüber heute Abend geredet wurde.»
«Nein, Fräulein Lina. Aber …»
«Ja?»
«Ich finde das mit dem Kind sehr gruselig.»
«Ja, das ist es, Finchen, es ist sehr gruselig.»
Borghoff fand Ebel bei Lohbeck. Auch dieses Wirtshaus war voller als sonst. «Kommen Sie, Sergeant. Wir haben noch etwas zu tun.»
«Wohin gehen wir? Etwa in die Altstadt? Wir ruinieren uns unsere Stiefel!»
«Wie hoch steht das Wasser?»
«Noch nicht ganz eine Elle. Es ist seit fünf Uhr nicht mehr gestiegen.»
«Dann ist es ja halb so schlimm.» Borghoff erklärte Ebel, dass sie nach der verrückten Kätt suchten.
«Sie glauben zwei Kindern, die Sie nicht einmal selbst verhört haben?», fragte Ebel.
«Ich habe keinen Grund, an Fräulein Kaufmeisters Aussage zu zweifeln. Möglicherweise ist das Kind das der getöteten Hure. Und Fräulein Kaufmeister erzählte, dass Kätt etwas von Teufeln und Menschenfressern gesagt hat.»
Sie waren am Rathaus angelangt, und Borghoff schloss auf, um Laternen zu besorgen und die hohen Gummiüberschuhe anzuziehen. Die Altstadt würde heute dunkler sein als sonst – und nasser.
«Kätt ist verrückt. Verrückt! Die erzählt doch immer wirres Zeug.»
Borghoff drückte Ebel eine Laterne in die Hand und zündete sie an. «Was ist eigentlich mit ihr passiert? Fräulein
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