Das rote Licht des Mondes: Historischer Kriminalroman (German Edition)
mit der Sonne wach geworden, hatte sich gewaschen und angekleidet. Es hatte ihr einige Mühe bereitet, in ihre Schuhe zu kommen, doch schließlich hatte sie es geschafft. Sie hoffte, dass es etwas leichter würde, wenn sie sich erst einmal wieder daran gewöhnt hatte. Zeit hatte sie ja mehr als genug.
Die nächste böse Überraschung lauerte in der Küche. Lina war Claras Mädchen, das auch für das Kochen zuständig war, noch nicht begegnet. Clara war nirgendwo zu sehen, deshalb stellte sie sich selbst vor.
Das Mädchen schien wenig begeistert davon, eine neue Mieterin im Haus zu haben. «Ich bin Antonie. Es ist noch etwas Grütze da.»
Clara hatte Lina gesagt, dass nur die Mittagsmahlzeit in ihrer guten Stube eingenommen würde, Frühstück und Abendessen würden entweder in der Küche serviert oder sie könne es sich mit aufs Zimmer nehmen.
Lina setzte sich an den Tisch, und Antonie klatschte einen Löffel Hafergrütze in den Teller. Lina mochte ohnehin nicht gern Grütze, aber diese hier war sehr dick, grau und roch etwas verbrannt. «Möchten Sie mehr, Fräulein?»
«Nein, danke.»
Antonie stellte ihr den Teller hin und holte einen Löffel. Lina nahm etwas von der Grütze und zwang sich, sie hinunterzuschlucken. Sie war lauwarm, ungesalzen, und auch mit dem Zucker hatte Antonie gegeizt. Dafür war der Brandgeschmack recht kräftig.
Am liebsten hätte Lina den Teller stehen lassen, aber dann sagte sie sich, dass sie bis mittags nichts mehr zu essen bekommen würde, und zwang sich den furchtbaren Brei hinein. «Ich hätte gern ein Glas Wasser dazu.»
Während sie langsam aß, begann Antonie, ununterbrochen zu reden. «Frau Dahlmann hat mir gesagt, dass ich jetzt, wo eine Dame hier wohnt, die Räume öfter saubermachen müsste. Und jeden Tag den Nachttopf leeren. Ich weiß zwar nicht, wann ich das alles machen soll, wo ich doch auch den Laden aufwischen muss, aber wenn Frau Dahlmann es so wünscht …»
Was erwartet diese Person von mir? , fragte sich Lina. Sie hoffte wohl, bei Lina könnte alles so laufen wie beim Lehrer Reichert, aber da war sie an die Falsche geraten. Lina hatte schon beim Betreten der Küche gewusst, dass sie Antonie niemals angestellt hätte. Das Geschirr vom Abendessen stand noch herum, und vieles andere war entweder nicht an seinem Platz, oder der Platz war ungünstig gewählt. Der Herd wurde auch nicht regelmäßig gescheuert.
«Warten wir doch einmal ab, wie es so läuft», sagte Lina ruhig. «Hast du das Salz an der Grütze nur heute Morgen vergessen, oder salzt du sie grundsätzlich nicht?»
«Salz? An eine süße Grütze?»
«Das verbessert den Geschmack sehr. Natürlich nur eine kleine Prise. Denn es ist ja eine süße Speise. Kann ich noch etwas Zucker haben, bitte?»
Antonie knallte den Zuckertopf unsanft auf den Tisch. «Frau Dahlmann mag es nicht, wenn ich Zucker verschwende.»
«Du kannst ihr ja sagen, dass ich mir noch ein Löffelchen genommen habe.» Lina streute den Zucker über den Rest der Grütze, verrührte ihn vorsichtig, darauf achtend, dass sie das Verbrannte nicht unterrührte, und aß dann schweigend auf.
Sie schob den Teller weg, den Antonie in den Spülzuber steckte. «Vielleicht sollte ich dir erst einmal zeigen, wie ich mir deine Arbeit für mich vorstelle», sagte Lina. «Ich erwarte, dass du das Waschwasser vormittags wechselst und den Eimer des Toilettenstuhls auskippst und reinigst. Und bitte sieh am Nachmittag nach, ob noch frisches Wasser im Waschkrug ist, und fülle es nach, wenn es nötig ist. Waschkrug und Waschschale sollten ebenfalls täglich gereinigt werden. Das sind erst einmal die wichtigsten Arbeiten, alles Weitere wird sich ergeben.»
«Da muss ich erst mit Frau Dahlmann sprechen. Dann muss was anderes liegenbleiben.» Auf den Mund gefallen war Antonie offensichtlich nicht.
«Ich zahle für deine Dienste, Antonie. Aber sprich ruhig mit Frau Dahlmann, wir werden dann sehen.»
Lina hatte Cape und Hut unten im Flur an einen Haken hängen dürfen, ihr Stock lehnte in der Ecke an der Wand. Widerstand von Hausangestellten war sie nicht gewöhnt, sie hatte das Bedürfnis, schnell an die Luft zu gehen, so sehr ärgerte sie sich über Antonie. Dann würde sie eben sehr früh bei Guste ankommen.
Der Weg zur Dammstraße war nur kurz, und bald darauf blickte sie in Thereses erstauntes Gesicht. «Die gnädige Frau sitzt beim Frühstück.»
Lina ging in den Salon. An Gustes Miene konnte sie sehen, dass ihre Schwester bereits Bescheid
Weitere Kostenlose Bücher