Das rote Licht des Mondes: Historischer Kriminalroman (German Edition)
steckte das Tuch unter ihr Kissen. «Vielleicht komme ich doch noch auf Ihr Angebot zurück, Herr Commissar.»
«Kann ich jetzt davon ausgehen, dass Sie schlafen werden?»
Sie nickte. «Danke.»
Er stand auf.
«Herr Commissar, wenn Sie jetzt schon in meinem Schlafzimmer waren …»
«Ja?»
«Nennen Sie mich doch bitte Lina – oder wenigstens ‹Fräulein Lina›, wie es alle tun.»
Er nahm ihre Hand. «Ich gehe davon aus, dass das nur für diese Mauern hier gilt. Dann müssen Sie mich aber Robert nennen – und bitte ohne ‹Herr›.»
Sie nickte. «Gute Nacht, Robert!»
«Gute Nacht, Lina.»
Lina hatte eine unruhige Nacht verbracht. In dem fensterlosen Raum konnte sie zwar die Morgendämmerung nicht sehen, aber es hielt sie nichts mehr in dem engen Bett. Ihre Wunden schmerzten, und auch ihr Kopf fühlte sich nicht viel besser an.
Vorsichtig setzte sie sich auf und spürte erleichtert, dass der Kopfschmerz nicht heftiger wurde. Nebenan hörte sie, wie Antonie gerade aufstand. Lina beschloss, sich anzuziehen. Sie zündete die Kerze an und begann langsam, sich anzukleiden. Das ist dein einziges Kleid , schoss es ihr durch den Kopf. Und die schlichte goldene Nadel, die den Kragen zusammenhielt, war nun ihr einziges Schmuckstück. Lina war kurz davor, wieder zu weinen, doch sie unterdrückte es. Stattdessen bückte sie sich nach ihren Schuhen und stöhnte auf vor Kopfschmerz.
Leise klopfte es an die Tür. Es war Antonie, die gerade hinuntergehen wollte. «Fräulein, geht es Ihnen gut?»
«Ja. Komm doch bitte herein.»
Antonie öffnete die Tür und stellte ihre Kerze neben Linas auf den Stuhl.
«Sehe ich sehr schlimm aus?»
Antonie nickte. «Wollen Sie nicht im Bett bleiben?»
«Nein.» Lina vermied es, den Kopf zu schütteln. «Ich habe eine Bitte. Würdest du mir ausnahmsweise meine Schuhe anziehen? Ich kann den Kopf nicht nach unten halten.»
«Sicher, Fräulein.» Sie bückte sich und half Lina.
«Vielen Dank. Ich komme mit dir hinunter, wenn es dich nicht stört. Hier ist es so …» Sie brach ab, weil ihr einfiel, dass Antonies Zimmer sicher auch nicht besser war als dieses.
Unten in der Küche zündete Antonie das Feuer im Herd an. Das Wasser, das sie am Abend vom Bürgerbrunnen in der Straße geholt hatte, stand in mehreren Krügen und zwei Eimern mitten im Raum, Lina stolperte fast darüber.
Ohne ein Wort räumte Antonie alles beiseite. Sie schüttete Wasser und Hafer zusammen und setzte den Topf auf den Herd. Es war ihr spürbar unangenehm, dass Lina ihr dabei zusah.
Der einzige Luxus im Hause Dahlmann war, dass morgens Kaffee getrunken wurde. Clara schätzte seine belebende Wirkung für den harten Arbeitstag. Lina bekam meist nichts mehr davon, weil sie später aufstand als die anderen und dann allein frühstückte.
An diesem Morgen waren die Bohnen in der blechernen Kaffeetrommel erschöpft, und Antonie machte sich daran, die gestern erstandenen rohen Bohnen zu rösten. Sie schimpfte leise vor sich hin, weil sie am Tag zuvor nicht nachgesehen hatte, wie viel Vorrat gerösteter Bohnen noch da war, und schüttete die Kaffeebohnen in einen Durchschlag, um sie zu waschen. Die Rösttrommel kam auf den offenen Herd, dazu hatte sie alle Ringe aus der Herdplatte genommen.
«Soll ich die Trommel drehen?», fragte Lina. «Dann kannst du in der Zeit etwas anderes tun.»
«Wenn Sie das tun würden, Fräulein …»
Lina stand auf und stellte sich an die Trommel, in der der Kaffee langsam gebrannt wurde. Ab und an kontrollierte Lina die Bräunung. Ihr war aufgefallen, dass Claras Kaffeebohnen eigentlich immer zu dunkel waren.
Während Antonie die Hafergrütze rührte, zwischendurch den Tisch deckte und schon Wasser für den Kaffee aufsetzte, griff sich Lina ein Küchentuch und nahm die Trommel vom Herd, um sie kräftig zu schütteln und den Kaffee in den letzten Minuten ohne weitere Hitzezufuhr zu vollenden und auch schon etwas abzukühlen, bevor er gemahlen wurde.
Antonie hatte eine Schüssel bereitgestellt, in die Lina nun die fertiggebrannten Kaffeebohnen schüttete. Sie dampften noch ein wenig und dufteten köstlich.
Kurz darauf kamen Clara und Wilhelm in die Küche. Wilhelm, der Lina nach Georgs Attacke noch nicht gesehen hatte, erschrak sichtlich.
«Geht es Ihnen besser?», fragte Clara.
Lina nickte. «Es tut noch weh, aber ich bin hungrig, und das ist ein gutes Zeichen.»
«Wilhelm und Antonie können nachher das alte Lagerregal wieder in das Zimmer tragen.»
Lina zuckte die
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