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Das rote Licht des Mondes: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Das rote Licht des Mondes: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Das rote Licht des Mondes: Historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Kaffke
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Staub.
    Als sie wieder aufwachte, dämmerte es schon. Ihr Kopf schmerzte immer noch. Clara hatte ihr eine Kerze und Zündhölzer dagelassen, die auf einem Stuhl, dem einzigen anderen Möbelstück, lagen. Sie zündete die Kerze an und starrte auf die Balken des Dachstuhls.
    Immer wieder durchdachte sie ihre Situation. Und immer wieder kam sie zu dem gleichen Schluss: Ohne Geld und ohne ihre Kleider und Möbel musste sie zu Georg zurückkehren. Sie dachte an das, was er ihr angedroht hatte. Wahrscheinlich würde er sie in ein Dienstbotenzimmer stecken, das zwar immerhin besser war als dieses hier, aber es bedeutete, dass sie endgültig ein unwürdiges Leben würde führen müssen, vermutlich bis an ihr Lebensende.
    Den ganzen Tag hatte Lina entweder starr vor Schreck oder völlig teilnahmslos über sich ergehen lassen, doch nun endlich kamen ihr die Tränen. Sie schluchzte, weinte und jammerte über ihr Elend und auch ein wenig vor Wut.
    Zunächst merkte sie nicht, dass es an die Tür klopfte. Doch dann hörte sie die Stimme des Commissars: «Fräulein Kaufmeister, geht es Ihnen gut?»
    «Ja», antwortete sie zwischen zwei Schluchzern. «Es geht mir gut.»
    Trotzdem öffnete sich die Tür, und Borghoff kam herein.
    «Sie sollten nicht unaufgefordert in das Schlafzimmer einer Dame kommen», sagte sie leise.
    «Es ist mein Recht als Polizist, mir Zugang zu verschaffen, wenn ich die Vermutung habe, dass es der Dame nicht gutgeht.» Erst jetzt sah er ihr zerschlagenes Gesicht.
    «Was ist passiert?», fragte er erschrocken. «Frau Dahlmann hat mir nur gesagt, dass Sie heute hier oben übernachten.» «Mein Bruder hat alle meine Möbel abholen lassen.»
    «Und Sie geschlagen?»
    Sie nickte nur. Sie hatte sich aufgesetzt und die Decke um sich geschlungen.
    «Ebel erzählte, dass er heute Morgen im Rathaus nachgefragt hat, ob er Möbel, die ein Familienmitglied gegen seinen Willen entwendet hat, wieder zurückholen kann. Ich habe ja nicht ahnen können, dass er es sofort tut.»
    «Hätten Sie es verhindern können?»
    Er schüttelte den Kopf. «Sicher nicht. Aber vielleicht hätte ich dabei sein können und verhindern, dass er Sie schlägt.»
    «Ich bin sein Eigentum. Er darf mich züchtigen, wann immer ihm danach ist.» Und dann kamen ihr plötzlich wieder die Tränen. Sie schluchzte und bebte. «Er hat mein ganzes Geld. Meine Kleider, selbst die Unterwäsche. Meine Nähmaschine …»
    Wie selbstverständlich legte Borghoff den Arm um sie.
    «Und wenn ich zurückgehe, wird er mich wie eine Dienstbotin halten, das hat er schon angekündigt.» Sie schluchzte noch mehr.
    Geduldig hörte er ihr zu, als sie erzählte, was alles passiert war, was Georg gesagt und ihr angedroht hatte.
    «Dabei hatte ich ihn doch vor einem Skandal gewarnt», sagte Borghoff kopfschüttelnd.
    «Skandal? Welcher Skandal?» Lina hatte aufgehört zu weinen. «Es war doch sein gutes Recht, Ihr Sergeant hat es ihm doch bestätigt.»
    «Recht haben und in den Augen der Bürger recht gehandelt zu haben, sind zwei ganz verschiedene Dinge, Fräulein Kaufmeister. Sehen Sie, Antonie weiß davon. Und das Dienstmädchen Ihrer Schwester auch. Wie schnell, glauben Sie, weiß ganz Ruhrort davon?»
    Lina sah ihn an. «Ja. Wie schnell weiß ganz Ruhrort von meinem Elend.» Sie fing wieder an zu weinen, doch es waren nicht mehr viele Tränen da.
    «Wie viel gekränkter Stolz ist in Ihnen?», fragte Borghoff plötzlich. «Es geht doch nicht allein darum, dass Sie jetzt mittellos sind. Es geht doch vor allem darum, jetzt nachgeben zu müssen, oder?»
    Es war für Lina nicht leicht, aber sie musste zugeben, dass er recht hatte. Ihrem Bruder gegenüber klein beigeben zu müssen, war schlimmer, als alles zu verlieren, und selbst schlimmer, als geschlagen zu werden.
    «Ich kann Ihnen etwas Geld für das Nötigste leihen», bot er ihr an. «Nur, damit Sie ihn eine Weile zappeln lassen können.»
    Sie musste lächeln, so gut das mit ihrem zerschlagenen Gesicht ging. «Ich würde es Ihnen doch nie zurückzahlen können. Glauben Sie mir, ich werde nie wieder einen eigenen Silbergroschen in Händen halten – geschweige denn einen Thaler. Und das Haushaltsgeld wird er sich bis auf den Pfennig genau vorrechnen lassen.»
    «Das wäre es mir wert», sagte Borghoff und zog ein Taschentuch aus seiner Jacke. «Hier.»
    Lina wischte sich das Gesicht ab und schnäuzte sich.
    «Ich kann Ihren Herrn Bruder nicht ausstehen. Er ist arrogant und selbstgefällig.»
    «Ja, das ist er.» Sie

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