Das Rote Palais - Die Totenwächterin / Der Gottvampir / Die Schattenpforte: Special-eBook-Edition Trilogie (German Edition)
angrenzenden Fes t saal. Augen blicklich strömten die Leute unter erwartungsfrohem Gemurmel und dem leisen Klirren von Gläsern der angekü n digten Überraschung entgegen. Rudger erschien neben ihr. An seinem Gesichtsausdruck erkannte sie, dass er dieselbe Ahnung hatte.
„Er befindet sich im Festsaal.“
„Kennst du ihn?“
„Sein Geruch ist mir unbekannt. Er muss hier neu sein. Wäre er schon länger in Krinfelde, würde ich ihn erkennen.“ Rudger runzelte nachden k lich die Stirn.
Normalerweise sprach es sich in Vampirkreisen herum, wenn ein Neuankömmling in der Stadt auftauchte. Es war ein ung e schriebenes Gesetz, dass der Meistervampir unverzüglich darüber zu informieren war. Zum Schutz der Menschen als auch der Vampire.
„Dann sollten wir mal nachschauen“, sagte Leyla.
Gemeinsam betraten sie den Festsaal und blieben in der Nähe der Tür stehen. Die Dekoration im Saal war aufwendig. Der Schein von tausend Kerzen erhellte den Raum und glitzerte in den Silberfäden der schwarzen Wandbehänge. Durch die Eingang s tür zog eine leichte Brise und bausc h te die Wandbehänge auf. Ein dezenter Duft von Weihrauch lag in der Luft und schien von einzelnen Kerzen auszugehen. Die e r höhte Bühne am anderen Ende des Saals war vollständig mit roten Tüchern dekoriert. Eine fünfköpfige Gruppe hatte sich mit ihren Instrume n ten formiert, und wartete regungslos auf ihren Einsatz. Leyla stützte sich mit einer Hand auf Rudgers Arm und stellte sich auf die Zehenspitzen, um einen bess e ren Blick auf die Bandmitglieder zu haben. Erst auf den zweiten Blick machte sie vier junge Frauen aus, die sich hinter dem Frontmann in Position gebracht hatten. Die bleichen Gesichter der Bandmitglieder hoben sich von ihren schwarzen Kleidern ab. Alle fünf hatten glattes, schwarzes Haar, das ihre auffa l lend schmalen Körper betonte, und ihnen eine einheitlich androgyne Erscheinung verlieh. Nur die kurzen Röcke und rot g e schminkten Münder der Mädchen unterschieden sich von dem jungen Mann im Vorde r grund. Da er als Einziger kein Instrument trug, handelte es sich vermutlich um den Sänger der Gruppe.
„Er ist der Vampir“, flüsterte Rudger und bestätigte Leylas Verm u tung.
Es war nichts Ungewöhnliches daran, dass sich Vampire in den ve r schiedenen Branchen der Unterhaltungsindustrie bewegten. Waren sie vorsichtig genug, wurden sie von keinem Menschen als Vampire erkannt. So führten viele ein Dasein inmitten der menschlichen Welt und entfalteten sich vorzugsweise in künstlerischen Bereichen. Seit Jahrhunderten brachten die Vampire herau s ragende Mus i ker, Maler oder Schauspieler hervor, ohne von Menschen bemerkt zu werden.
Hinter ihnen wurde die Tür geschlossen. Leyla wandte sich um, und erblickte die Braut.
„Wegen der Akustik.“ Evelyn zwinkerte ihr mit einem erwartungsvollen Gesichtsau s druck zu.
„Das ist ein ziemlich außergewöhnlicher Rahmen für eine Hoc h zeit“, bemerkte Leyla.
„Nicht wahr? Das war meine Idee. Ich habe mir die Dekoration ein bisschen vom Roten Palais abgeguckt“, sagte Evelyn mit e i nem en t schuldigenden Lächeln zu Rudger.
Rudger hob eine Augenbraue und schmunzelte. Sein Genießerkino für Vampire ähnelte ta t sächlich dem Ambiente des Saales.
Obwohl Evelyn einer konventionellen Familie entstammte, hatte sie nie ihren Hang zum Mystischen abgelegt. Ihrer eigenen E r fahrung mit Vampiren zum Trotz, und den damit verbundenen Tatsachen, die nicht mehr viel mit der Schwarzen Romantik gemein hatten, schienen daran nichts geändert zu haben. Leyla überkam erneut die Sorge, ob Vincents Einfluss auf ihre Freundin nicht doch Spuren hinte r lassen hatte.
„Wartet erst mal ab, bis ihr den Sänger hört. Er ist fantastisch“, schwärmte Evelyn. „Erst hatte ich Bede n ken wegen der älteren Gäste, aber die meisten sind inzwischen gegangen. Wie gut, dass Bragi nie vor Mitte r nacht auftritt.“
„Bragi?“ Leyla blickte zur Bühne und überlegte, wo sie den Namen schon einmal gehört hatte. „Rudger, woher kenne ich diesen N a men?“
„Es ist der altgermanische Gott der Dichtkunst und des Gesangs. Ein Sohn Odins aus dem Geschlecht der Asen. Die Menschen erkennen ihn allerdings erst seit dem 12. Jahrhundert als Gott an. Z u mindest was ihre Sagen und Mythen betreffen.“ Eine kleine Falte hatte sich zwischen seinen Augenbrauen gebildet, als er nachdenklich nickte.
„Ein bisschen anmaßend, seine Band nach einem Gott zu bene n nen.“
„Oh, das ist keine
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