Das Rote Palais - Die Totenwächterin / Der Gottvampir / Die Schattenpforte: Special-eBook-Edition Trilogie (German Edition)
Meister va m pir seine Geschäfte zu jeder Tageszeit abzuschließen. Nur selten bat ihn ein Auktionator zur Begutachtung eines antiken Stückes zu sich, weil Rudger meist die Präsent a tion im Netz genügte, um die Ech t heit eines Stückes zu bestätigen. Es kam vor, dass eine gute Kopie von Spezialisten kaum zu bewerten war und fälschlicherweise als echt deklariert wurde. Mittlerweile hatte sich Rudger in dem Geschäft etabliert und seine Meinung war in Fachkreisen von unverzichtbarem Wert. Innerhalb der Va m pirgesellschaft hatte er im Laufe der Zeit seine Macht erweitert, und genoss den Respekt der Meistervampire in nahezu allen europä i schen Städten.
„Hier ist noch eine Kleinigkeit für Sie“, sagte Rudger und überreichte dem Brautpaar die Samtschatulle.
Immer noch verwundert über das vorangegangene Hochzeitsgeschenk, hob Christoph den Deckel. Zum Vorschein kamen eine Reihe antiker, medizinischer Instrumente. Eing e bettet in rotem Samt, schienen sie ihre eigene grausige Geschichte zu erzählen. Interessiert beugte sich Leyla vor, um einen metallenen Bohrer genauer zu betrachten. Gleichzeitig rieb sie sich schaudernd mit der Hand über ihren nackten Oberarm, weil der Anblick der seltsamen Gerätschaften die Assoziation von vorzeitlichen, blutigen Ei n griffen an menschlichen Körpern auslöste. Man mus s te schon ein besonderes Faible für ausgefallene antike Gegenstände haben, um diesem Geschenk etwas abgewinnen zu können. Oder Mediz i ner mit Leib und Seele sein, wie es sich in den freudig erregten Gesic h tern des Brautpaares zeigte.
„Das ist ja fantastisch. Ein Trepanationsbesteck, und vollständig ist es auch. Sieh nur Schatz, sogar die Perlmuttgriffe der Schaber sind intakt“, jauchzte Evelyn.
Christoph räusperte sich und wirkte verlegen, als er zu Rudger blickte. „Das ist ein übe r aus wertvolles Geschenk. Es muss über hundert Jahre alt sein. Ich danke Ihnen.“
„Es stammt aus der Zeit des Siebenjährigen Krieges.“
„Das war 1756. Mein Vater wird umfallen, wenn er das sieht. Damit übertreffen wir seine Sammlung medizinischer Raritäten.“ Mit vor Begeisterung gerötetem Gesicht blickte Ev e lyn zu Leyla.
„Ähm, nettes Geschenk.“ Leyla bemühte sich, in Anbetracht der schaurigen Utensilien taktvoll zu bleiben. Doch ihre Freundin blickte noch immer erwartungsvoll. „Du erwartest doch nicht, dass ich in Jubel ausbreche? Ich kämpfe noch mit der Gänsehaut. Dabei dachte ich, dass ich hier die Verdrehte sei, aber wenn ich mir euch so anschaue, kommen mir erns t hafte Zweifel.“
„Du hast recht. Wir Ärzte sind schon eine eigenartige Gemei n schaft.“ Strahlend wandte Evelyn sich an Rudger. „Sie haben das ziemlich gut e r kannt. Danke.“
„Es war mir eine Ehre.“ Rudger deutete eine leichte Verbeugung an. „Antiquitäten sind für mich eine besondere Leidenschaft, allerdings nicht die einzige.“ Mit diesen Worten legte er se i nen Arm um Leylas Taille und zog sie an sich, was Evelyn ein Kichern entlockte.
„Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten? Ich meine …“ Christoph war deutlich anz u sehen, dass er nicht wusste, wie er sich verha l ten sollte.
„Ich bevorzuge Rotwein, wenn ich in Gesellschaft bin“, antwortete Rudger höflich und neigte leicht den Kopf.
Christoph schien es gelegen zu kommen, sich persönlich um Rudgers Getränk zu kü m mern, anstatt einen der zahlreichen Kellner herbeizuwinken. Sicherheitshalber bat er seine Frau, ihn zu begleiten. Mit einem entschuldigenden Achselzucken ließ sich Evelyn von ihrem Mann wegfü h ren.
Als die beiden außer Sichtweite waren, knuffte Leyla Rudger in die Se i te. „Jetzt hast du den Bräutigam verschreckt.“
Er lächelte. „Evelyn wird ihn schon wieder beruhigen. Bis dahin sind wir beide a l lein.“
Die schätzungsweise zweihundert Partygäste schien Rudger schlicht aus seiner Wah r nehmung verbannt zu haben.
Gegen Mitternacht hatte sich die Gesellschaft deutlich verjüngt. Leyla war gerade an der Bar, um sich einen alkoholfreien Cocktail zu besorgen, als sie die Präsenz eines anderen Vampirs spürte. Obwohl keine direkte Gefahr von ihm ausging, stellten sich ihre Nacke n haare auf. Sie hielt inne und tastete unwillkürlich nach ihrem Silberstilett.
Nur noch vereinzelt saßen beschwipste Damen an den Tischen und beobachteten mit wehmütigen Blicken die Jüngeren auf der Tanzfläche. Über die Lautsprecher ertönte eine Stimme und bat die Gäste zu einem besonderen Event in den
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