Das Rote Palais - Die Totenwächterin / Der Gottvampir / Die Schattenpforte: Special-eBook-Edition Trilogie (German Edition)
Band im eigentlichen Sinn. Die Mädels begleiten Bragi instrumental. Es sind immer andere. Das ist ja das B e sondere da r an“, ereiferte sich Evelyn.
„Demnach benennt er sich selbst nach einem Gott. Ziemlich selbs t bewusst, der Junge“, sagte Leyla.
„Oder es handelt sich um Bragi persönlich.“
Sie starrte Rudger an. Er hatte nicht laut gespr o chen, sondern seinen Gedanken direkt in ihr Bewusstsein gesetzt. Sie erwiderte seinen Blick mit der unausgesprochenen Bitte, ihr das später genauer zu erklären, und wandte sich wieder an Evelyn, die unb e kümmert weite r plauderte.
„Bragi ist der Gewinner des jährlichen Newcomerwettbewerbs, den das Kulturamt ve r anstaltet. Der Bürgermeister hat meinen Vater gebeten, ihm auf unserer Hochzeit einen Auftritt zu verschaffen. D a mit soll ein Zeichen gesetzt werden.“
„Ein Zeichen“, wiederholte Leyla zweifelnd.
„Man will sich eben liberal gegenüber den Vampiren zeigen. Außerdem ist das etwas düstere Erscheinungsbild im Moment Trend.“
„Otto-normal-Verbraucher trifft auf Gothic-Kultur?“
„Jetzt sei nicht so zynisch, Leyla. Hör ihn dir erst mal an. Wir sehen uns später, ich muss rüber zu Chris.“ Mit diesen Worten rauschte sie davon und schlängelte sich durch die eng stehenden Partygäste. Ihr Kleid leuchtete wie ein sich langsam entfernender Farbtupfer zwischen den schwarz livrierten Anzügen.
Auf der Bühne hielten die sechs Frauen fremdartige Tonwerkzeuge bereit, von denen Leyla kaum eines beim Namen nennen konnte. Gewöhnliche Instrumente warteten neben den Musikerinnen auf ihren Einsatz. Eine Frau bediente die Kurbel einer Dre h leier und erzeugte einen lang anhaltenden Ton. Mit den Tasten des Instruments verkürzte sie den Ton im rhythmischen Takt. G e meinsam mit ihren Kolleginnen gaben sie eine Kostprobe ihrer F ä higkeiten, mit exotischen Instrumenten umzugehen. Fremdartige Klänge ertönten und wirkten gleichzeitig seltsam vertraut. Noch während die Musik nachzuhallen schien, wurden die Musikutens i lien ausgetauscht. Sie hielten inne und blickten abwartend auf Bragi. Der hochgewachsene Mann war schätzungsweise Mitte zwa n zig. Lange, schwarze Haarsträhnen fielen auf seine Schultern und ließen sein Gesicht schmaler wirken, als es vermu t lich war. Seine Augen waren geschlossen. Die Violinen stimmten an, gefolgt von den tiefen Tönen eines Kontr a basses in Begleitung von Gitarren. Sobald das Schlagzeug einsetzte, schien sich die Luft aufzuladen. Gleichzeitig öffnete Bragi die Augen und zog augenblic k lich das Publikum in seinen Bann. Er stimmte einen Grundton an. Es war der Gesang eines Engels.
Nicht jener glockenhelle Klang, der zu Tränen rührte, sondern ein pr o funder Bass, wie man ihn nur selten zu hören bekommt. Das tiefe Timbre seiner Stimme ging unter die Haut und berührte jeden Winkel im Innern der Zuhörer. Auf einmal erklangen von irgendwoher weitere helle Töne. Sie sammelten sich weit oben an der kuppelartig zulaufenden Decke und stre u ten ihre seltsam überirdischen Klänge wie aus anderen Sphären. Sie wirkten archaisch und folgten keiner erkennbaren Melodie, so n dern standen einfach im Raum. Wie aus sich selbst heraus schienen sich die Klänge zu verändern und harmonisierten mit der stimmlichen Bri l lanz des Solisten. Die Darbi e tung endete abrupt und Stille legte sich über den Saal.
Kein Geräusch war zu hören, als hielte jeder Anwesende gebannt den Atem an. Leyla spürte Rudger hinter sich und lehnte sich gegen seine Brust. Die mentalen Fähigkeiten von Vamp i ren hatten keine Wirkung auf sie, doch die Musik hatte sie zutiefst berührt. Die Musikerinnen legten die frem d artigen Instrumente beiseite, und griffen zu ihren Gitarren. Im Hintergrund stand ein Mischpult. Bragi sang mit tiefer, intensiver Stimme zu klaren Melodiebögen, die auf den permanenten Einsatz ganzer Akkorde verzichteten. Zw i schen den englischen Strophen erklangen immer wieder Worte in einer ihr unbekannten Sprache. Gothic-Rock erfüllte den Saal und begeisterte das Publikum mit einer sakralen Klan g poesie und lichtvoller Transparenz. Mehrere junge Frauen lösten sich aus der Menge und gingen zur Bühne. Mit sanft wiegenden Hüften näherte sich Bragi ihnen und griff mit einer geschmeidigen B e wegung in sein Haar, um es über eine Schulter zu legen, sodass es nur noch eine Hälfte seines Gesichts verbarg. Während er sich zu seinen Bewunderinnen hinab beugte, sah Leyla ein seltsames Mal an seinem dargebotenen Hals.
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