Das Rote Palais - Die Totenwächterin / Der Gottvampir / Die Schattenpforte: Special-eBook-Edition Trilogie (German Edition)
lich der Name Bragi und diese unbestimmte Seh n sucht, die diesen Gott in ihm so schwach machte. Bragi schloss die Augen bei dem Gedanken an das bera u schende Gefühl, das ihn überkam, wenn er auf der Bühne stand und sang. Für diese Momente ließ er seinen Dschinn heraus und gab sich voll diesen intensiven Empfindungen hin, mit deren Kraft er zaube r hafte Klänge schaffen konnte. Es war die Kraft der einzigartigen Liebe. Eine Frau, die der Gott-Bragi auf Erden gesucht und nie gefunden hatte.
Er konnte es fühlen, das Herzblut des Poeten, und wusste, dass diese Frau nichts gemein hatte, mit den zahlreichen Dirnen und halbwüchsigen Mädchen, die den Rockstar umgaben. Vielleicht war das auch einer der Gründe, dass der Vampir den Gott b e zwang. Aber er wollte das nicht weiter anal y sieren. Hauptsache war, Bragi gab Ruhe und stand nicht seiner Karriere im Weg. Sollte er doch in seinem Liebesleid erst i cken. Ihn scherte das nicht, denn die ganze Welt könnte ihm bald zu Füßen liegen und er hatte nicht vor, sich aufhalten zu lassen.
Er stupste die letzte Scherbe aus dem Goldrahmen. Sie zerschellte klirrend im Marmorwaschbecken. Der Hofgarten war das te u erste Hotel in Krinfelde und nicht das erste, in dem Bragi einen Sachschaden hinterließ. Man war daran gewöhnt, dass dekadente Rockstars Möbel und Fenster zerstörten. Seine Manager würden sich darum kümmern. Sie k a men in Scharen, um in seiner Nähe zu sein, hielten ihm alles mögliche B e schreibbare hin, damit er sein Autogramm darauf setzen konnte. Gelangweilt setzte er seine kaum leserliche Unterschrift auf die dargereichten Karten, CDs, T-Shirts und was noch alles. Ein vielleicht fünfzehnjähriges Mä d chen drängte sich in den Vordergrund und bot ihm ihren nac k ten Bauch an.
„Schreib es mit Blut“, forderte sie.
Bragi stutzte und blickte der Kindfrau in die schwarz umrandeten Augen. Eine kleine Kennerin. Wären sie in einer anderen Lok a tion, hätte er nicht gezögert, ihr vor alle Augen mit seinem scharfen Fingernagel den Namen in die zarte Haut zu ritzen. Doch er befand sich im Roten Palais, und Rudger von Hallen hatte seine Bedingungen genannt. Diese Au f lagen schränkten ihn zwar nicht so ein, wie er es von kommerziellen, menschlichen Veranstaltungsorten gewohnt war, schlossen aber de n noch Blutvergießen in jeglicher Form aus. Zwar passte ihm das nicht so ganz, doch er wollte sich auch nicht mit dem Meister der Stadt anlegen. Der galt als mächtig und hatte sein Gebiet fest im Griff. Außerdem verfügte Rudger über Beziehungen zu zahlreichen anderen Meisterva m piren in Europa, sodass Ärger mit ihm zumindest Una n nehmlichkeiten mit sich ziehen würde. Das war ihm zu lästig. Für ein paar Tage konnte er sich zusammenreißen. In der nächsten Stadt würde er dann wieder nach eig e nen Vorstellungen agieren.
„Ein anderes Mal“, raunte er dem Mädchen zu, und zog mit einem Filzstift seinen N a menszug über die weiße Haut.
Er riss seinen Blick von dem schwarz geschminkten Schmollmund los und beobachtete eine Frau am Ende des Ganges. Sie u n terhielt sich mit einem Angestellten. Nach dem Konzert hatte er sie an der Seite seines Gastgebers gesehen. Es musste die Ause r wählte des Meistervampirs sein. Die Totenwächterin. Das pfiffen die Spatzen von den Dächern. Eine Ster b liche hatte das Herz des Vampirs erobert. Man sah es in seinen Augen. Obwohl es vor Leuten gewimmelt hatte, schienen die beiden von einem unsichtb a ren Kokon umgeben gewesen zu sein. Vollkommen in ihrer Zweisamkeit. Tief in Bragi regte sich sein verbannter Gott und sandte eine warme Salve durch seinen Körper. Er spürte ein Gefühl in sich au f steigen, dessen Bedeutung er längst vergessen hatte. Seine innewohnende Persönlichkeit hatte gewagt aufzubegehren und versuchte, es hinauszuschre i en. Bragis Geist füllte sich mit den Gedanken des anderen. Seine Haut prickelte, als sich das Wort in seinem Kopf formte: Liebe. Bedingungslos in ihrer reinsten Form. Das Gefühl ekelte ihn an. Er musste etwas unternehmen. Für einen Moment schloss er die Augen. Entfernt hörte er seine Fans entzückt aufkreischen. Offenbar hielten sie sein Verhalten für eine besondere Form der Au f merksamkeit. Einfältiges Pack. Es war der ständige, müß i ge Kampf, den er gegen diesen Gott Bragi führte, um diesen erneut in seine Schranken zu weisen.
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Mit einem Seitenblick sah Leyla, wie Bragi mit der Hand eine bestimmende Geste vollzog. Auf der Stelle zogen seine Fans
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