Das Rote Palais - Die Totenwächterin / Der Gottvampir / Die Schattenpforte: Special-eBook-Edition Trilogie (German Edition)
schlug mit der Schulter auf die glitschigen Bodenfliesen auf. Dabei glitt ihr die Pistole aus der Hand und schlitterte unaufhaltsam ins Wasser. Mit Schwung kam sie wieder auf die Füße und sah sich nach Marie um. Die war inzwischen zurückgetaumelt und befand sich außer Reic h weite.
Der schmutzige Overall, in dem der Koloss steckte, schien aus dem Stoff eines Heißluftballons genäht worden zu sein. An se i nem Gürtel baumelte ein Bund mit rostigen Schlüsseln. Er überra g te sie um mehr als einen Kopf. Der kahle Schädel war ebenso rosig wie das feiste Gesicht. Er stand da und glotzte, als hätte er nicht das Geringste mit dem Angriff zu tun.
„Schätze, ihr Hühner seid für den Krawall dahinten zuständig“, stieß der Kerl mit einem grunzenden Tonfall aus. Die Fettwulst unter seinem Kinn schien ein Eigenleben zu entwickeln, als er mit dem Kopf auf die Pendeltür deutete. „Lauft wie zwei Sonntag s braten an den Viechern vorbei, dämliche Weiber. Pah! Eine doppelte Delikatesse für die Blutsauger. Ihr könnt froh sein, dass die Ketten dem Aufruhr standgehalten h a ben. So blöd möchte ich mal sein.“
Obwohl sie eine ausgezeichnete Kämpferin war, befürchtete sie, dass keiner ihrer Schläge eine Auswirkung auf den fleischigen Leib ihres Gegners haben würde. Ein Zweikampf würde ein endloses Ausweichen seiner Schläge bedeuten. Leyla suchte nach einer Fluchtmöglichkeit. Manchmal waren die Überlebenschancen größer, wenn man weglaufen kon n te.
Der Wärter zog die Stelle, an denen man Augenbrauen vermutete, hoch, und für einen M o ment konnte man kleine, graue Augen sehen. „Typisch Huhn, überall den Schnabel reinstecken, aber kein Plan von gar nichts. Wolltet die Freaks wohl retten, was? W e nigstens seht ihr zwei lecker aus und könnt mir den Dienst für heute vers ü ßen. Wenn ich mit euch fertig bin, werfe ich euch den Viechern zum Fraß vor.“
Die wulstigen Lippen verzogen sich zu einem Unheil verkündenden Grinsen, als er sich langsam auf sie zu bewegte. Seine gro b schlächtigen Hände jonglierten eine Eisenstange. Man sollte niemals die Beweglichkeit übergewichtiger Menschen unte r schätzen, und schon gar nicht die Kraft, die dahinter steckte. Plötzlich stampfte er los, dass der Boden be b te. Dabei ließ er die Stange über seinem Kopf durch die Luft sausen.
In den Gegner reinrennen, Überraschungsmoment nutzen, die Kraft des Gegners ableiten und gleichzeitig dieselbe intelligent nutzen, um den Gegner angriffsunfähig zu machen, ohne ihn dabei schwer zu verletzen. Die Grundregel der Aikido Kampfkunst war ihr seit Jahren in Fleisch und Blut übergegangen. Allerdings war eine kleine Regeländerung ang e bracht. Von nicht töten war keine Rede. Sie spurtete dem Klops entgegen und duckte sich unter dem herabsausenden Schlag hi n weg. Die Stange zertrümmerte krachend mehrere Bodenfliesen. Leyla prallte mit der Schulter gegen seinen massigen Bauch, wurde zurückgeschleudert, und rutschte über den feuchten Boden. Dabei trat sie gezielt gegen sein massiges Schie n bein. Mit einem Knirschen brach der Knochen. Sie sprang auf ihre Füße.
Der Wärter schrie auf und stolperte auf den Beckenrand zu. Mit rudernden Armen unternahm er den sinnlosen Versuch, das Gleic h gewicht zu halten. Im letzten Moment, bevor er ins Wasser stürzte, holte er aus. Unerwartet sauste seine hammergroße Faust auf Leyla und traf mit voller Wucht ihr Kinn. Ihr Körper wurde in die Höhe gerissen, als wäre sie gewichtslos. Wie in Zeitlupe sah sie die von Leichen bedeckte Wasseroberfläche auf sich zukommen. Ein Teil ihres Gehirns wusste, dass sie mit hoher Geschwi n digkeit durch die reglosen Leiber in das eisige Wa s ser schoss.
Durch den rasanten Temperaturabfall hatte sie das Gefühl, dass augenblicklich jede Körperfunktion zum Stillstand kam. Der Kälteschock vernebelte ihren Verstand und sie war kurz davor, das Bewuss t sein zu verlieren. Neben ihr sank der Wärter wie ein Stein auf den Beckenboden hinab. Über ihr verdunkelte sich die Wasseroberfläche und der kurze Lichteinfall, den ihr Sturz zw i schen den eng aneinander gepressten Leibern verursacht hatte, verlor sich in einem eisigen Dämmerlicht. Geistesgegenwärtig stemmte sie sich mit den Füßen vom Boden ab und schwamm mit kräftigen Zügen nach oben. Sie befürchtete, die erstarrten Vampirkörper könnten sich wie Eisschollen über ihr schließen. Das wäre eine tödliche Falle. Leyla konnte problemlos einige Zeit den Atem anhalten, doch die
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