Das Rote Palais - Die Totenwächterin / Der Gottvampir / Die Schattenpforte: Special-eBook-Edition Trilogie (German Edition)
Regenerationszeit verkürzt, sodass er zu einem wahren Frü h aufsteher geworden war. In seinen ersten Jahren als Vampir hatte er einige Male versäumt, sich rechtzeitig ein Ruhelager zu suchen, weil ein Trinkgelage bis in den Morgengrauen andauerte, wodurch er die ersten Anzeichen der Starre zu spät bemerkt hatte. Nicht nur ein Mal hatte er sich no t dürftig, vor Müdigkeit taumelnd, im dichten Laubwerk eines Waldes ve r graben, und war so den tödlich sengenden Sonnenstrahlen im letzten Moment entkommen. Die Natur hatte jedem ihrer Geschöpfe unausweichliche G e setze auferlegt.
Junge Vampire hingegen ruhten länger. Zu ihrer eigenen Sicherheit erwachten sie niemals, bevor es vollständig dunkel war. Ebe n so konnten sie die bei Tagesanbruch einse t zende Starre noch nicht kontrollieren, weil sie sie in ihrer Maßlosigkeit schlicht vergessen würden. Wie Jungti e re mussten sie erst die Gefahren ihres neuen Daseins ausloten.
Im Laufe der Jahrhunderte lernte jeder Vampir mit den Widrigkeiten der natürlichen Ordnung umzugehen und sich anzupassen. Hatte Rudger früher die letzten Tagesstunden genutzt, um das geschäftliche Treiben im Aurodom zu überwachen, genoss er diese hellen Stunden nun mit Leyla. Da sie für einen Menschen sehr nachtaktiv war, blieb ihnen so genügend Zeit. Menschliche Paare verbrachten auch nicht viel mehr Zeit miteinander, vor allem, wenn sie berufstätig waren. Der Theaterleiter der unteren Etagen des Multiplexkinos dürfte darüber erfreut sein, dass Rudger nur noch selten kurz vor Feierabend in seinem Büro auftauchte, um sich einen Tagesbericht geben zu lassen. Er hatte ohnehin jedes Mal zähneknirschend die geforderten Unterlagen hervo r gekramt, und machte kaum einen Hehl daraus, dass er Vampire im Kino nur duldete, weil er keine Wahl hatte. Doch es ging nicht nach ihm, denn Rudger war als Besitzer des gesamten Komplexes gleichzeitig sein Vorg e setzter.
Noch bevor er das Bett verließ, knöpfte er sein Hemd auf. Achtlos ließ er es gleichzeitig mit dem Jackett hinter sich fallen. Der Gürtel seiner Hose klirrte leise, als sie auf den B o den glitt. Er stieg darüber hinweg, griff eine Boxershorts aus der Kommode und streifte sie über. Seidig schmiegte sich der Stoff um seine Hüften, als er in die Küche ging. Die grelle Innenbeleuchtung seines h o hen Kühlschranks sprang an, als er die Tür öffnete. O b wohl Konrad ausgezeichnete Kontakte zur Blutbank hatte, war es schwierig, an Vollblut zu gelangen, weil es nicht lange genug haltbar war. Die Menschen nutzten für Transfusionen ein Erythrozyten-Konzentrat, das sie mit gerinnung s hemmenden Stoffen versetzten. Das nahm dem Blut einen erheblichen Teil seines natürlichen Aromas und ließ es so künstlich schmecken wie ein alkoholfreier Wein im Gegensatz zu einem vollmundigem Pinot Noir. Weiter unten im Tiefkühlfach befanden sich die hochwert i geren Frischplasmakonzentrate. Für besondere Anlässe. Zu dieser praktischen wie alltagstauglichen Form der Nahrungsaufnahme war er übergegangen, seitdem sein Dasein nicht mehr au s schließlich aus Jagd und Müßiggang bestand. Wobei das Eine mit dem Anderen einherging, denn jagen brachte ihm dieselbe Entspannung wie Nicht s tun. Irgendwann langweilte ihn jedoch diese bei Vampiren beliebte Lebensart, und er hatte damit angefangen, seine Zeit mit and e ren Di n gen zu füllen. Blutige Exzesse wie damals, als er unter Fjodoras Einfluss stand, entsprachen zwar der Natur eines Vampirs, hatten in ihm jedoch mehr Abscheu als Wohlgefallen hervorgerufen. Es erfüllte ihn, das Aurodom zu leiten, befriedigte den menschlichen Teil in ihm, den er nie verloren hatte. Es machte ihn stolz, dass Krinfelde unter seiner Herrschaft als eine der siche r sten Städte Europas galt. Es hatte Jahre und einige Mühen gekostet, die ihm unterlegenen Vampire vom Wildern abzuhalten. Das vermeintlich friedliche Zusammenleben mit den Menschen hatte zur Folge, dass der Umgang unverhältnismäßig verä n dert worden war. Es gab viel mehr Vampire als früher. Würden diese nach Gutdünken jagen, gäbe es bald keine Ster b lichen mehr in der Stadt.
Er ergriff einen der reißfesten Beutel. Mit seinen Zähnen biss er den Übertragung s schlauch auf und trank direkt aus der Öffnung. Normale r weise nahm er sich die Zeit, das Blut in eine Karaffe zu gießen, um es aus einem Zinnkelch zu trinken, um dadurch ein Mindestmaß an Mani e ren zu wahren. Jetzt kam er sich roh und gierig vor wie ein Tier. Dies hier hatte nichts
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