Das Rote Palais - Die Totenwächterin / Der Gottvampir / Die Schattenpforte: Special-eBook-Edition Trilogie (German Edition)
die Einrichtungsgegenstände bekamen scharfe Konturen, wo zuvor verwischte, ineinander verlaufende Rä n der gewesen waren. Tief sog er die Luft durch die Nase, um das betörende Aroma von Blut aufzunehmen, das wie eine schw e re Wolke alles andere überdeckte. Dunkelrot klebte es an dem medizinischen Besteck, an dem Glas in seiner Hand, verströmte seinen Duft aus Leylas Verle t zungen. Ihr Anblick ließ sein Herz heftiger schlagen. Doch auch aus der anderen Richtung im Raum strömte ein unterschwelliger Blutgeruch und erweckte seine Aufmer k samkeit.
Ruhig abwartend saß der Arzt vor ihm. Da Rudgers Sinne nun uneingeschränkt funkti o nierten, erkannte er, dass es sich um einen jungen Vampir handelte. Höchstens zwei Jahre alt. Behutsam legte Rudger Le y las Hand auf ihre Brust. Es ging ihr besser. Beruhigt lehnte er sich in seinem Stuhl zurück.
Der Arzt stand auf, um Leylas Wunde zu kontrollieren. Nachdem er den Verband abg e hoben hatte, lächelte er wissend.
„Die Wunde verheilt bereits. Sie sieht aus, als hätte ich sie vor Tagen vernäht, und nicht erst vorhin. Es ist immer wieder faszini e rend zu beobachten, was vampirisches Blut bewirken kann. Ein Grund, weswegen ich mich dem Dienste an die Menschheit ve r schrieben habe.“
Damit meinte er, dass nichts dagegen sprach, als Vampir dem Eid des Hippokrates zu folgen. Seit einigen Jahren hörte er immer häufiger von Vampiren, die nach der Umwandlung ihren Berufen weiter nachgingen, und dabei die neu erlangten Vorteile zu nu t zen wus s ten. Zweifelsohne gab es davon einige, wenn man als Arzt tätig war.
Kilian runzelte die Stirn. „Sie ist doch ein Mensch, oder?“
„Ja, das ist sie“, entgegnete Rudger.
„Warten Sie mal, wie haben Sie sie genannt?“ Er rieb sich das Kinn. „Leyla!“ Erkenntnis blitzte in seinen Augen auf. „Sie ist die Totenwächterin … Oh, Mann, dann sind Sie Rudger von Ha l len.“
Mit einem Anflug von Belustigung beobachtete Rudger, wie die Tarnung des Arztes endgültig einbrach und das Wesen des Va m pirs zum Vorschein kam. Er kam auf ihn zu, reic h te ihm die Hand, und deutete eine Verbeugung an.
„Es ist mir eine Ehre, Meister.“
Rudger erwiderte den Händedruck. „Ist schon in Ordnung. Ich st e he in Ihrer Schuld.“
„Nein, nein, ich bitte Sie, das war doch selbstverständlich.“
Dr. Kilian wirkte befangen. Geschäftig machte er sich daran, seine Patientin erneut zu untersuchen, und medizinische Gerä t schaften zur Seite zu räumen. Hinter seiner Stirn konnte man die Gedanken förmlich sehen. Es war ganz und gar nicht selbstve r ständlich, sich mit einem Meistervampir zu einem Blutcocktail im Behandlungszimmer zusammenz u finden.
Ein Blick aus dem Fenster zeigte die aufkommende Morgendämmerung. Rudger küsste Leylas Stirn. Er wusste sie hier in Siche r heit. Hinter sich spürte er die Blicke von Dr. Kil i an.
„Ich werde heute Abend z u rückkommen, um sie zu holen.“
„Sie können unbesorgt sein, sie ist hier in besten Händen. Ich werde persönlich dafür sorgen. Ich bin den Tag über im Haus und stehe jede r zeit zur Verfügung.“
„Nichts für ungut, aber das wird hoffentlich nicht nötig sein.“ Rudger nickte ihm freun d lich zu und verließ das Zimmer.
16
Ü
ber den Fernsehbildschirm flimmerten die aktuellen Abendnachric h ten und berichteten von den Wahlergebnissen in Nordrhein Westfalen. Zur allgemeinen Überraschung hatte die Partei, in deren Programm die Legalisierung des Vamp i rismus stand, die Wahlen mit einer deut lichen Mehrheit an Stimmen gewonnen. Leyla klappte die Kinnlade h e runter. „Das glaube ich jetzt nicht.“ Sie war froh, sich allein in ihrem Wohnzimmer zu befinden, während sie verblüffte Selbstg e spräche führte. Der Tee schwappte über den Rand, als sie die Tasse mit einem klackenden G e räusch auf den Tisch stellte.
Damit hatten die Menschen ein Signal gesetzt und einen weiteren maßgebenden Schritt zur gesellschaftlichen Integration der Vampire getan. Außerdem hatte der Gesetzgeber ein bundesweites Verbot der als Verein getarnten Sekte Thetania e.V. erwirkt. Ein tiefes Gefühl von Genugtuung ergriff Leyla, als sie nur noch abwesend den weiteren Berichten des M o derators folgte.
Seit fast einer Woche war sie nun zu Hause und erholte sich von den Strapazen der Schussve r letzung. Obwohl die Wunde schon nach einem Tag nahezu verheilt war, hatte Dr. Kilian sie überreden können, ein paar Tage in der Klinik zu bleiben. Normalerweise hätte
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