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Das Rote Palais - Die Totenwächterin / Der Gottvampir / Die Schattenpforte: Special-eBook-Edition Trilogie (German Edition)

Das Rote Palais - Die Totenwächterin / Der Gottvampir / Die Schattenpforte: Special-eBook-Edition Trilogie (German Edition)

Titel: Das Rote Palais - Die Totenwächterin / Der Gottvampir / Die Schattenpforte: Special-eBook-Edition Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Henke
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ich das letzte Mal hier war. Vor allem bei Tage.“ Rudger strich mit der flachen Hand den Staub von der Gedenktafel im Inneren des Pavi l lons. Mit dem Finger fuhr er über die Inschrift. „Wilhelm war ein feiner Kerl. Die Leute nannten ihn den Seidenbaron und erricht e ten ihm eine Gedenkstätte.“
    Leyla trat neben Rudger und betrachtete die verwitterte Marmorplatte. Im achtzehnten Jahrhundert förderte Friedrich II. die Texti l industrie durch Monopole, wodurch Krinfelde zu einer wohlhabenden Stadt wurde und den Beinamen Samt- und Seidenstadt erhielt. Wilhelm Deuß war ein vorzüglicher Seidenfachmann und schenkte der Stadt anläs s lich seines 70. Geburtstages im Jahr 1897 das Waldstück, auf dem sich bis heute das Naherholungsgebiet Stadtwald befand. Es war immer wieder faszinierend, Rudgers Zei t zeugenberichten zu lauschen. Zumal er einen nostalgischen Hang besaß und gerne von verga n genen Zeiten berichtete. Leyla griff nach seiner Hand, an der er neben dem schimmernden Turmalin seines Siege l rings nun auch einen Ehering aus Weißgold trug.
    „Mein Mann, der romantische Vampir“, flüsterte sie lächelnd.
    Als Antwort führte er ihre Hand an seinen Mund und hauchte einen Kuss darauf.
    Mit einem Seufzen wandte sie sich um und blickte über den Weiher. Eine Entenfamilie schwamm gemächlich vorbei. Das Qu a ken des Muttertieres wirkte in der diesigen Atm o sphäre des halbdunklen Nachmittags intensiver denn je. Vielleicht, weil es das einzige G e räusch war, das kein Echo verursachte, da sich der Schall nach wenigen Metern in den nicht hörbaren Bereich verlor.
    „Normalerweise würde um diese Jahreszeit die Sonne auf der Wasse r oberfläche glitzern.“
    Möglicherweise schlug ihr die klimatische Situation aufs Gemüt, ein Anflug von Trauer überkam sie bei dem Gedanken, mit Rudger niemals den Anblick einer sonnenüberstrahlten Wal d lichtung teilen zu können.
    „Ich erinnere mich an den Anblick, mina Fagreþæ. Das genügt mir, denn ich habe dich. Du bringst den Duft der Sonne in de i nem Haar.“
    Natürlich hatte er ihre Bedenken bemerkt. Nach über fünfhundert Ja h ren war er in der Lage, das Unvermeidliche zu akzeptieren, während sie immer wieder damit zu kämpfen hatte. Doch er schaffte es jedes Mal, sie von dem melancholischen Abgrund wegz u ziehen. Es moc h te viele Dinge geben, die sie nicht mit ihm teilen konnte, doch gewiss war, dass sie ihn lieben konnte, solange sie lebte. Seine Unsterblichkeit gab ihr die Gewis s heit, niemals das unerträgliche Gefühl von Verlust und Trauer ertragen zu müssen, wenn man einen geliebten Menschen verlor.
    Auf der anderen Seite des Weihers saßen zahlreiche Menschen im Biergarten des Stad t waldhauses und trotzten dem Wetter. Ihre herbstliche Bekleidung entsprach den ung e wöhnlichen Umständen, den die dicken grauen Wolken über ihren Köpfen erzeugten. Obwohl der Himmel danach aussah, hatte es in den vergangenen W o chen selten geregnet.
    „Merkwürdig“, sagte Rudger. „Sie sitzen dort, als sei alles normal.“
    „Es ist immerhin Mai. Was sollen sie sonst tun? Sich verkriechen?“ Ihre Ratl o sigkeit gab ihrer Stimme einen trotzigen Beiklang. Dabei fand sie die Situation ebenso grotesk wie Rudger. „Menschen sind eben so. Sie passen sich schnell den gegebenen Umstä n den an und lassen keine Angst zu.“
    „Sie sind leichtsinnig und verschließen ihre Augen vor der Gefahr.“
    „Von welcher Gefahr sprichst du?“ Sie folgte seinem Blick zum Himmel. Bedrohlich waberten die schweren Wolken mit ihren gezackten Feuerrändern über sie hinweg. Erneut erinnerte der Anblick an einen fließe n den Lavastrom und erweckte das Gefühl, als stünde die Welt Kopf. „Was geschieht hier, Rudger?“
    „Das ist nicht von dieser Welt.“
    Irritiert betrachtete sie sein Gesicht. Ähnlich wie am Morgen, runzelte Rudger die Stirn, als versuche er, sich an etwas zu eri n nern. Oder er wusste mehr, als er ihr sagen wollte. Sein Verha l ten löste Unbehagen aus.
    „Nicht von dieser Welt? Dann spielen wohl die Götter verrückt?“, fragte sie, in dem Ve r such, unbeschwert zu klingen.
    „Wenn es sich nur um die Götter handeln würde …“ Rudger schnaufte leise. „Wir sind umgeben von einer Welt voller manni g facher Wesen. Mit den meisten will man besser nichts zu tun bekommen.“
    „Wie im Reich der Tiere, wo Schönheit oft Sinnbild absoluter Gefahr ist“, sinnierte Le y la.
    Gleichzeitig ahnte sie, dass er nicht von Erdbewohnern im üblichen Sinne

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