Das Rote Palais - Die Totenwächterin / Der Gottvampir / Die Schattenpforte: Special-eBook-Edition Trilogie (German Edition)
sprach. Schließlich war es nicht lange her, dass sie es mit altgermanischen Gottheiten in Gestalt von Bragi und Iduna zu tun hatten. Die G e schichten über Odin und sein Reich Asgard waren ihr noch ebenso in Erinnerung wie über die Unterweltgöttin Hel. Seitdem hatte sie das Gefühl, die Götter und ihre G e schichten seien allgegenwärtig. Ihre Sinne schienen sensibil i siert für mystische Zeichen.
Sie passierten den laubverhangenen Durchgang, den eine prächtige Rotbuche über den Waldweg gelegt hatte. Der Baum maß schätzungsweise zwanzig Meter und zwang den Blick automatisch in die Höhe. Normale r weise würde das Sonnenlicht, durch die dicht belaubte Baumkrone gefiltert, den Boden sprenkeln. Doch nun wurde die prächtige Schönheit des Baumes eins mit der düst e ren Umgebung. Als hätte jemand mit einem schmutzigen Schwamm die Farben wegg e wischt, erhellte ein unwirklicher Schein vage die Umgebung. In herbstlich anmutenden Windzügen rasche l te das üppige Laub, verbreitete einen Hauch von Magie. Leyla rieb sich die Arme, als eine leichte Gänsehaut sie übe r kam.
„Es wäre nicht die erste Naturkatastrophe, die man den Göttern z u schreiben könnte.“ Rudger blieb neben ihr stehen.
Die Hoffnung, dass er scherzte, verflog, als sie seinen ernsten Gesichtsausdruck sah. „Dafür hat es immer natürliche Erklärungen gegeben.“
„Richtig, doch das Eine schließt das Andere nicht aus.“ Seine Stimme klang sanft, fast tröstend. „Übrigens, wir stehen gerade u n ter der Hüterin der Schwellen.“ Er deutete auf die glatte, graue Rinde des mächtigen Baumstamms.
„Einer der ältesten Bäume hier“, entgegnete Leyla. „Bei der Größe schätze ich ihn auf gut zwe i hundert Jahre.“
„Für die Germanen galt die Rotbuche als bedeutender Eckpunkt des Sonnenjahres. Genau genommen gehört sie zur Winterso n nenwende und steht für Erneuerung und Wiede r geburt.“
„Der Baum der Weisheit“, sagte Leyla. Baumorakel hatten sie schon immer int e ressiert.
„Richtig. Im Grunde hat dieser Baum jede Menge mit Kommunikation zu tun, weil er hilft, innere Weisheiten richtig gedeutet nach außen zu vermitteln.“
„Tja, leider haben wir verlernt, Antworten in der Natur zu suchen.“ Leyla ging auf einen Papierkorb zu und entsorgte ihren le e ren Becher. „Gerade jetzt würde ich mir ein paar Erkläru n gen wünschen, auch wenn sie von einem Baum kommen.“
Rudger erschien neben ihr und strich ihr eine Haarsträhne hinters Ohr. Die Zärtlichkeit seiner Geste traf sie tief, doch gleichze i tig bestätigte er ihre Befürchtungen. Seit Wochen lieferte niemand eine sinnvolle Erklärung für das Wetterphänomen. Und selbst, falls Meteorologen das Geheimnis lüften sollten, gab es wahrscheinlich noch lange keine Möglichkeit, dem Phänomen entgegenz u wirken. Der Einfluss der Menschen auf G e zeiten und Wetter hielt sich in Grenzen. Wenn man von der Theorie absah, dass der erhöhte Ausstoß an Aerosol zur verstärkten Wolkenbildung beitragen soll. Allerdings müsste demnach die Produktion von Fei n staub in den vergangenen Wochen nahezu explodiert sein. Da es keinen Beweis gab, rückte diese Ursache als Grund für eine mögl i che Umweltkatastrophe in den Hintergrund. Mittlerweile erforschten wel t weit Klimatologen das Phänomen, das sich nach und nach über die westlichen Regionen Deutsc h lands ausbreitete.
Der Gedanke an ein mögliches paranormales Phänomen von diesen Ausmaßen ließ Le y la erzittern. Sie zog ihre Jacke fester um den Körper und verschränkte fröstelnd die Arme. Dankbar lehnte sie sich gegen Ru d gers Brust. Es war weniger Wärme, die von ihm ausging, als Trost.
Das rhythmische Klopfen paarte sich Nerven zerrend mit dem quietschenden G e räusch von Gummi, das über Glas strich, als die Scheibenwischer gegen den plötzlich einsetze n den Regen ankämpften. Grundsätzlich hatte sie nichts gegen Regen, doch unter solch ungeklärten Umstä n den, wurde es ihr zu viel. Geschäftig eilten die Menschen umher. Das Leben nahm seinen Lauf. Es galt, Einkäufe zu erledigen, Jobs nachzugehen und Arztbes u che zu tätigen. Der Alltag war ebenso gegenwärtig wie die Hoffnung, dass sich die Lage bessern und es eine für alle verständliche Erklärung geben würde. Zumindest hatte es auf den ersten Blick den A n schein, denn unter den fahlen Gesichtern der Passanten, fand sich nicht ein einz i ges, dessen Mundwinkel nicht nach unten gezogen war. Lächeln schien aus der Mode geko m men zu
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