Das Rote Palais - Die Totenwächterin / Der Gottvampir / Die Schattenpforte: Special-eBook-Edition Trilogie (German Edition)
herrschten hier grüne, rote und bla u violette Lichtstreifen wie bei Polarlichtern. Einem von der Natur erzeugten Feuerwerk gleich, schien alles über ihren Köpfen in ständiger Bewegung zu sein. Sternartige Gebilde mit leuchtendem Schweif zogen ihres Weges, dessen Ziel dem Beobachter ein Geheimnis bleiben sollte. A n dächtig verfolgte sie das Geschehen, während am Boden alles still und starr blieb wie eine Schne e landschaft. Für einen religiösen Menschen könnte dieser Anblick der Vorstellung vom Paradies nah e kommen.
„Aurora Borealis“, hauchte Leyla.
„Wohl eher entfernte Verwandte“, entgegnete Rudger und zog sie we i ter.
Vor ihnen schlängelte sich eine gewaltige Brücke, deren Dielen aus Holz nach einer We i le übergingen in schimmernde Böden aus purem Gold. Welches Licht die ebenfalls goldene Brü s tung reflektierte, konnte Leyla nicht ausmachen. Zwischen dem himmlischen Leuchten und der dämmrigen Düsternis hier unten schien es eine unerklärliche Grenze zu geben. Die eindrucksvolle Brücke ve r schmälerte sich in ihrem Verlauf, bis sie sich in unergründlichen Schatten verlor. Dadurch wurde der Eindruck eines weiten Weges erweckt. In Anbetracht eines erneuten Fußma r sches stöhnte Leyla auf. Mit verengten Augen versuchte sie, die andere Seite des Übergangs au s zumachen, während sie schweigend neben Rudger herging.
Nach einer Weile ahnte sie, dass die Brücke nicht dazu diente, ein Hindernis zu überwi n den. Stattdessen schien sie zu schweben. Unter ihnen vernahm sie weder das Rauschen eines Flusses, noch konnte sie erkennen, wie tief der Abgrund war. Die Umgebung verschwamm in geisterhaften Schwaden. Die Grenzen am Horizont verwischten, als würden sie eine Hängebrücke i n mitten der grünen Hölle eines Dschungels überqueren. Nur, dass es hier weder Grün noch sonst eine Farbe gab, da von den geisterhaften Polarlic h tern nichts mehr zu sehen war. Ehrfurcht erfüllte jede Faser ihres Körpers.
Sie umfasste Rudgers Hand fester. Die beruhigende Wärme seiner Haut gab ihr Halt. I h re Schulter berührte seinen Arm, weil sie sich nah bei ihm hielt. Unter ihren Füßen spürte sie die harte Fläche des Stegs, doch gleic h zeitig wandelte sie wie in einem real wirkenden Traum. Völlig allein standen sie inmitten dieses sagenhaften Universums, dessen Schönheit überwältigend als auch Furcht einflößend war. Leyla fühlte sich klein und unbedeutend. Das Geländer der Brücke verschwand vor ihren Augen. Wie abg e schnitten endete es ohne e r sichtlichen Grund und ging über in einen ungesicherten breiten Steg. Ein hysterisches Lachen drohte, ihre Kehle hochzuro l len, über diesen albernen Gedanken an weltliche Sicherheitsmaßnahmen, während sie sich inmitten dieser bizarren Umgebung befand. Ha s tig warf sie einen Blick zurück. Hinter ihnen war die Brücke noch vollständig. Mehr konnte sie nicht erkennen. Dabei sollte die gewaltige Trutzburg aus dieser Entfernung zumindest noch schemenhaft zu sehen sein. Unmö g lich, sich in so kurzer Zeit so weit en t fernt zu haben.
Gänsehaut überzog ihren Körper, als würde sie frieren. Doch das tat sie nicht. Sie fuhr mit der Hand an ihre Wangen. Leicht g e kühlt fühlte sich ihr Gesicht an, wie bei einem Waldspaziergang. Trotzdem schien die physikalische Größe Temperatur hier ebenso wenig zu existieren. Wah r scheinlich hatten selbst Atome und Moleküle in dieser Welt eine andere Beschaffenheit oder gar keine Bedeutung.
Eben noch verwirrt über ihre Gedankengänge, fühlte sie sich im nächsten Moment verloren wie ein kleines Mädchen an der Hand ihres Vaters. Rudger war neben ihr, die Brücke unter ihnen. Das waren Fakten. Zumindest versuchte sie, sich das einzur e den, denn das war es schon. Wie zwei winzige Punkte wandelten sie inmitten eines überdimensionalen Unive r sums, als wären sie zwei Astronauten ohne Kontakt zu ihrem Raumschiff. Verloren in den unendlichen Weiten des Weltalls.
Rudger blieb stehen, so plötzlich, dass sie zusammenfuhr. Sein Griff verstärkte sich, um sie am Weitergehen zu hindern. Eine v a ge A h nung beschlich sie. Zögernd senkte sie den Kopf und starrte in einen tiefschwarzen Abgrund. Mit einer klaren Kante endete die Br ü cke direkt vor ihren Füßen.
Ach du lieber Schreck. Nur einen Schritt weiter und sie wäre in die Tiefe g e stürzt. Scharf zog sie den Atem ein, überrascht von dem seltsamen Klang, den dieses Geräusch veru r sachte. Vorsichtig wich sie ein Stück zurück, obwohl die
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