Das Rote Palais - Die Totenwächterin / Der Gottvampir / Die Schattenpforte: Special-eBook-Edition Trilogie (German Edition)
gebung unsichtbar waren, nicht mehr als ein geheimnisvoller Windzug, der einen plötzlich streift und von nirgendwo zu ko m men scheint. Schwindel brauste durch Leylas Kopf wie eine sich zurückziehende Nebelwand. Ihr Blick war getrübt, doch sie widerstand dem Impuls, sich die Augen zu reiben. Noch wagte sie nicht, Rudger loszulassen. Eine frische Brise streifte sie, ließ Kälte durch ihre Kleider dringen. Noch nie hatte sie das Frieren willko m men geheißen. Hier gab es wenigstens Temperaturen. Ob das gut oder schlecht war, kon n te sie nicht sagen, doch instinktiv spürte sie, dass sie möglichst bald zu ihrem physischen Körper zurückkehren sollte. Ihr Magen fühlte sich an, als sei er umgestülpt worden. Über ihren Rücken schien sich ein dichtes Fel l vlies zu ziehen, das sich allerdings unter ihrer Haut befand. Dazu gesellte sich dieser eigenartige Juckreiz, von dem man weiß, dass Kratzen keine E r leichterung schaffen würde. Ein Gedanke regte sich in ihrem Ve r stand, suchte nach einer logischen Erklärung für das Geschehene. Der Wunsch, auf ewig zu verharren, bewegungslos in seinen Armen, war übermächtig. Ihr gelang ein Seufzen, als sie zu ihm au f blickte.
Erleichterung zeichnete sich in Rudgers Gesicht ab. Sein weicher Blick berührte sie zutiefst. Zwar war das warme Schimmern seiner Aura nicht mehr zu sehen, doch das Glück schien ihn von innen zum Leuchten zu bringen. Vorsichtig bewegte Leyla die Zunge in ihrer Mundhöhle, um zu prüfen, ob alles an seinem Platz war. Sie wagte ein Räuspern.
„Was ist passiert?“ Ungläubig nahm sie den befremdlichen Klang ihrer Stimme zur Kenntnis, der sich nicht mehr hohl innerhalb eines V a kuums verlor, sondern ganz normal war.
„Du bist mit mir durch die Dimensionen gereist. Wir sind angekommen.“ Rudger strich zär t lich über ihr Gesicht.
„So ähnlich stelle ich mir Beamen vor“, entgegnete sie. Sachte b e wegte sie ihren Kopf, um sich zu orientieren.
„Dein Feinstoffkörper wurde in einen Energiestrom zersetzt und hier rematerialisiert. Bei dem, was du dir unter Beamen vo r stellst, würde dieser Vorgang deinen kompletten Körper betreffen, nicht nur deine Se e le.“
Die Art, wie er die Lippen zusammenpresste, zeigte ihr, dass er sich ein Lächeln verkniff. Auch wenn sie sich ihrer Vollständi g keit nicht sicher war, gab ihr sein unterschwelliger Humor eine gewisse Sicherheit. Noch immer hielt er sie stützend in seinen A r men, sodass sie sich nur vage ihrer weichen Knie bewusst wurde.
„Ich fühle meinen Körper, obwohl ich mich nicht in ihm befinde. Tu ich doch nicht, o der?“ Prüfend betrachtete sie ihre Hand.
„Nein, aber die Bindung zu deinem physischen Körper baut sich wieder auf. In dieser Dime n sion kann es eine Person nur ein Mal geben und zwar in vollständiger Weise. Deine momentanen Empfindungen ähneln mehr einer Illusion, als dass sie sich rational erklären ließen.“
„Wie man es manchmal bei Zwillingen beobachtet, die auf große Entfernung für den a n deren mitfühlen können.“
„So ähnlich, nur was die Entfernung betrifft, verhält es sich umgekehrt. Je näher du de i nem Körper bist, desto stärker wird dein Astralleib dorthin gezogen, um zusammenzufügen, was z u sammengehört.“
Demnach hatte ihr Zustand nichts mit Quantenteleportation zu tun, sondern mit der paranormalen Fähigkeit, ohne Zuhilfena h me von technischen Hilfsmitteln durch die Dime n sionen zu reisen. Faszinierend, aber sicher wollte sie das nicht wiederholen. Ein Mal reichte vol l kommen. Der grauenvolle Gedanke, dass ihre Elementarteilchen möglicherweise falsch zusammengefügt worden waren, beschä f tigte sie zur Genüge.
Über ihnen erleuchtete der Vollmond die Nacht. Leyla stutzte, denn den Mond hatten die Menschen in Krinfelde ebenso lange nicht zu sehen bekommen wie die Sonne. Entweder änderte sich das Wetter, oder, was sie eher annahm, Modgudr sah keine No t wendigkeit mehr darin, ihre Kräfte über das Klima in Midgard auch nachts walten zu lassen.
Den Kopf an Rudgers Schulter gelehnt, atmete sie tief durch. Am Ende des Geländes klafften die dunklen Öffnungen von freig e legten Gängen anklagend wie weit aufgerissene Mäuler. Einst verborgen hinter uralten Gemäuern, lagen sie schutzlos am Rande des Abrissgeländes. Nebelschwaden zogen aus ihren Tiefen, als stießen sie ihren bedrohlichen Atem aus. Leyla kniff die Augen zusa m men, was den Schwindel in ihrem Kopf erhöhte. Als sie sie wieder öffnete, erkannte sie
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