Das Rote Palais - Die Totenwächterin / Der Gottvampir / Die Schattenpforte: Special-eBook-Edition Trilogie (German Edition)
ausgebreitet und für einen Moment flammte die Gier erneut in ihm auf. Dann schlug das Baby die Augen auf und sah ihm unmittelbar ins G e sicht. Erneut wallten vergessene Gefühle in ihm auf und überwältigten ihn. Ohne zu zögern, legte er das Kind in seinen Schoß und griff nach der pulsierenden Nabelschnur. Das feste Faserfleisch knirschte zwischen seinen Zähnen, als er die Nabelschnur mit einem Biss durchtrennte und saugte. Warm rann das frische Blut seine Ke h le hinab, füllte seine Adern mit Sauerstoff. Gleichzeitig überkam ihn das Gefühl von tiefer Abscheu vor sich selbst. Es sollte das letzte Mal gewesen sein, dass er menschliches Blut trank, das ihm nicht freiwillig gegeben wurde. Rudger beobachtete die winzigen Fäustchen, die sich neben einem hochroten Kopf ballten. Das kleine Wesen forderte Wärme und Na h rung. Mit einer schnellen Bewegung fuhr er mit dem kleinen Finger über die scharfe Spitze seines Reißzahns. Ein winziger Tropfen Blut quoll hervor. Seit Jahrhunderten war Blut für Rudger das Elixier des Lebens und das Einzige, das er dem hilflosen Säugling geben konnte. Im nächsten Moment umschlossen die kleinen Lippen seinen Finger und saugten.
Aus dem Augenwinkel hatte er Cecilie mit vor Entsetzen geweiteten Augen im Türrahmen stehen sehen. Einen Moment schwankte sie; ihr Gesicht hatte die Farbe von grauem Stein ang e nommen. Dann stürzte sie sich wie eine Furie auf Rudger, als treibe sie eine unheiml i che Macht dazu an. Todesmutig warf sie sich auf ihn und trommelte mit beiden Fäusten auf ihn ein. Rudger legte eine Hand schützend über das Kind, während zornige Schläge auf ihn einprasselten. Mit seiner freien Hand versetzte er der rasenden Frau einen gezielten Schlag gegen ihr Kinn. Sie sackte ohnmächtig zu Boden. Geduldig wartete er, bis sie wieder aufwac h te, während das Baby in seinem Arm einschlief. Als sich Cecilie regte, legte er ihr das Kind in den Schoß.
„Sorge dafür, dass sie stark wird!“, befahl er der verschreckten Frau. „Ich sorge dafür, dass niemals jemand in dieses Haus ei n dringen wird.“
Dann hob er den Leichnam vom Küchenboden in seine Arme und verschwand in der Dunke l heit.
Leyla hatte leise aufgeschrien, bei der Vorstellung, dass Rudger ihre dominante Großmutter niedergeschlagen hatte. Sie kämpfte mit den Empfindungen, die das Gehörte in ihr auslösten. Zu ihrer Überr a schung war sie nicht ausschließlich entsetzt gewesen, sondern musste ein paar Mal die aufkommenden Tränen hinunterschlucken.
„Mein ganzes Leben habe ich geglaubt, meine Mutter hätte mich verlassen und nun soll ich glauben, sie sei tot?“
„Sie ist tot, Leyla. Cecilie hatte entschieden, dich in dem Glauben zu lassen, deine Mutter sei verschwunden.“
Seine Mundwinkel kräuselten sich leicht beim Sprechen, als seien seine Worte nicht nach se i nem Geschmack. Leyla gefielen sie auch nicht unbedingt.
„Cecilie? Sie nennen meine Großmutter beim Vornamen?“ Leyla war endgültig verwirrt.
Die Flammen im Kamin waren heruntergebrannt und tauchten den Raum in ein warmes Licht. Die letzten Funken knallten laut in die Stille hinein. Sie wollte Rudger hassen, weil er sie g e zeichnet hatte. Doch sie konnte es nicht; etwas in ihrem Innern hinderte sie mit aller Gewalt daran. Es war Fjodora gewesen, die ihre Mutter getötet und Rudger befohlen hatte, sie selbst zu beseitigen. Er hatte sich ihr w i dersetzt und somit den Zorn seiner mächtigen Schöpferin auf sich gezogen. Und er hatte ihr das Leben gerettet. Rudger hatte die Augen geschlossen und den Kopf zurückgelegt. Er schien ihrem Blick au s weichen zu wollen. Ein Vampir, der dem Blick eines Menschen au s wich. Überwältigt schwieg Leyla und versuchte einen klaren Gedanken zu fassen. Er beugte sich vor und nahm einen Schluck aus se i nem Glas.
„Wir verdanken Ihnen den Schutzbann, der um unser Haus liegt.“
Rudger nickte langsam. „Ich hätte nicht zugelassen, dass euch beiden etwas zustößt. Kein Vampir wird sich je in die Nähe eures Ha u ses wagen.“
Leyla hatte das Gefühl, ihr Kopf explodiere gleich und sie beschloss, dass sie sich fürs Erste genug mit ihrer Vergangenheit b e schäftigt hatten. Es würde noch Zeit brauchen, um das alles wir k lich zu begreifen. Sie war schon aufgewühlt gewesen, bevor sie hierher kam. Während Rudger erzählte, hatte sie mit Mühe um Fassung g e rungen.
„Kann Fjodora ihre Gestalt wechseln?“, fragte sie nach einer Weile, um das Thema zu wec h seln.
Psychiater
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