Das rote Zimmer
Trockenblumen lag ein schnurloses Telefon, auf dem jemand ein paar Fotos abgelegt hatte. Ich setzte mich vor den Schreibtisch und blickte einmal mehr in das Gesicht von Philippa Burton, die diesmal eine jüngere Emily auf dem Arm hielt. Das kleine Mädchen hatte die Beine um die Taille ihrer Mutter geschlungen und ihre runde, gerötete Wange an die glatte, bleiche von Philippa gepresst.
Ich öffnete den Deckel. Das Innere des Schreibtisches wirkte ordentlich und nur spärlich gefüllt. Nicht sehr viel versprechend. Ich begann mit den kleinen, mit grünem Billardtuch ausgeschlagenen Fächern. Sie enthielten Kugelschreiber, gespitzte Bleistifte, Kleber, Paketband, Briefmarken für Briefe und Postkarten. Außerdem einen Stapel Papier mit Briefkopf, weiße und braune Umschläge, ein kleines Plastiktäschchen mit Tintenpatronen, Postkarten, eine Sammlung von Rechnungen mit dem Vermerk »bezahlt«. Ich sah sie durch, konnte aber nichts Ungewöhnliches feststellen: Achtzig Pfund für die Reinigung eines verstopften Waschbeckens, hundertneun Pfund für eine Kiste Wein, siebenhundertfünfzig Pfund für acht Stühle und zwei Tranchiermesser und so weiter. Außerdem fand ich einen Stapel Zeichnungen von Emily – Leute mit Köpfen und Beinen, aber ohne Körper, klecksige Regenbogen, krakelige Blumen, krumme Muster. Philippa hatte jeweils das Entstehungsdatum auf die Rückseite geschrieben. Sie war offensichtlich eine ordentliche Frau gewesen.
Als Nächstes fand ich eine steife, glänzende Farbmusterkarte mit Farbtönen, die Sepia und altes Leinen, Safrangelb und Salonrot hießen. Außerdem ein paar Rundbriefe wohltätiger Organisationen, die um Spenden baten. Drei Einladungen zu Partys, an denen Philippa nun nicht mehr teilnehmen würde. Eine ganze Reihe sommerlicher Ansichtskarten – gekritzelte, kaum lesbare Grüße von Pam und Luke, Bill und Carrie, Rachel und John, Donald und Pascal, abgestempelt in Griechenland, Dorset, Sardinien, Schottland. Bei den Karten lagen auch zwei handgeschriebene Briefe, einer von einer Frau namens Laura, die Philippa und Jeremy für das wunderbare Abendessen dankte, der andere von einer gewissen Roberta Bishop, die sich als Nachbarin vorstellte und Philippa vorschlug, zur nächsten Anwohnerversammlung zu kommen und über das Parken auf der Straße und die geplante verkehrsberuhigte Zone zu sprechen. Die Frau benutzte eine Menge Ausrufezeichen.
Ich schloss den Deckel wieder und zog die oberste Schublade heraus. Eine Packung DIN-A4-Papier, ein Stapel Urlaubsprospekte, alte Kontoauszüge, chronologisch geordnet und sauber zusammengeheftet. Ich blätterte sie durch, aber mir stach nichts Besonderes ins Auge. Philippa war nicht sehr verschwenderisch gewesen.
Sie hatte jeden Monat etwa die gleiche Summe ausgegeben, jede Woche etwa gleich viel vom Bankautomaten abgehoben. Gerade wollte ich die Schublade wieder schließen, als ich hinter der Packung Papier noch etwas spürte: ein dünnes Taschenbuch mit rosafarbenem Umschlag und dem Titel Lucys Träume.
Dem Klappentext zufolge handelte es sich um »einen erotischen Roman für Frauen«. Das Cover zierte ein weichgezeichnetes Bild von einer Frau mit verschwommenen nackten Brüsten, deren Brustwarzen nur als schwarze Schatten erkennbar waren. Die Frau hatte den Kopf zurückgeworfen, und ihr langes Haar fiel ihr wie ein Wasserfall über die Schultern. Ich spielte mit dem Gedanken, das Buch zu entfernen, bevor Jeremy es beim Ausräumen des Schreibtisches entdeckte, entschied mich dann aber dagegen. Für Philippa spielte es inzwischen keine Rolle mehr, was er dort fand.
In der unteren Schublade lag eine große Puppe, deren Verpackung noch nicht geöffnet war. Ihr Name war offensichtlich Sally. Sie hatte braune Locken, lange braune Wimpern und große blaue Augen, die durch die Zellophanverpackung starrten. Ihr Anblick jagte mir einen Schauder über den Rücken. In der Schachtel waren ein Schnuller und eine Flasche befestigt. Die Beschreibung auf der Verpackung verkündete, dass Sally weinen und in die Hose machen konnte, wenn man ihr Wasser zu trinken gab. Wahrscheinlich, dachte ich, hatte Philippa die Puppe für Emily gekauft, vielleicht für einen bevorstehenden Geburtstag. Darüber hinaus enthielt die Schublade auch einen kleinen Notizblock, den ich neugierig aufschlug.
Auf der ersten Seite hatte sie eine Einkaufsliste zusammengestellt und die einzelnen Artikel dann abgehakt. Auf der zweiten Seite folgte eine Liste mit Dingen, die zu erledigen
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