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Das rote Zimmer

Titel: Das rote Zimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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wollte Oban wissen.
    Ich starrte ihn an – warum fragte er das?
    »Ich glaube nicht. Oder, Gabe?«
    »Nun ja, ich weiß natürlich schon, wer er ist«, antwortete Gabriel. »Ich meine, die meisten Leute hier in der Gegend kennen ihn.«

    »Warum?«, fragte Oban. »Ich kenne nicht mal die Frau, die im Haus neben mir wohnt, geschweige denn das Paar von gegenüber.«
    Gabriel hob die Hände. »Ich wollte damit nur sagen, dass wir alle in derselben Art von Welt leben. Ich betreibe ein kleines Theater, und eines unserer Ziele ist es, Menschen, die sich von ihrer Umwelt isoliert und im Stich gelassen fühlen, wieder in die Gemeinschaft zu integrieren. Pavic führt eine Art Herberge für junge Leute.
    Und er ist irgendwie berühmt, nicht? Ein Typ, der immer, wie soll ich es sagen?, der Wellen schlägt. Natürlich laufen wir uns gelegentlich über den Weg. Mehr aber auch nicht. Warum fragen Sie nach ihm?«
    »Das wäre im Moment alles«, antwortete Oban.
    »Allerdings wird Detective Inspector Furth auch noch mit Ihnen sprechen wollen.«
    Wir ließen sie in der Küche zurück. Gabriel hatte die Hände noch immer auf den Schultern seiner Frau. Sie wandte den Kopf und blickte zu ihm auf. Als ich die Panik in ihrem Gesicht sah, wurde auch ich von einer Welle der Angst überrollt.

    »Was halten Sie davon, Kit?«, fragte Oban während der Rückfahrt zum Polizeirevier. »Raten Sie mal, was ich vorhin erfahren habe: In dem Monat vor Mrs. Burtons Tod haben zwischen dem Haushalt der Burtons und Pavics Centre drei Telefonate stattgefunden.«
    »Oh«, sagte ich. Plötzlich fror ich, obwohl es ein schwüler Tag war.
    »Oh? Ist das alles? Mein Gott, Kit, haben Sie mir überhaupt zugehört? Die ersten beiden Telefonate dauerten nur eine Minute oder so. Das letzte dauerte siebenundachtzig Minuten. Was machen Sie sich darauf für einen Reim, hm?«
    »Keine Ahnung.«
    »Pavic, hm? Das wird interessant.«
    »Sehr interessant«, antwortete ich langsam. Dann fügte ich in gequältem Ton hinzu: »Ich glaube, ich sollte Ihnen da was erzählen.«
    »Moment.« Er tippte ein paar Nummern in sein Telefon.
    »Erzählen Sie es mir später.«
    »Wie Sie wollen.«
    Ich lehnte die Stirn gegen das Fenster und schloss für einen Moment die Augen. Was für ein Chaos.

    34. KAPITEL
    Vor dem Polizeirevier angekommen, sprang Oban aus dem Wagen und spurtete mit einer solchen Geschwindigkeit los, dass ich Mühe hatte, ihn einzuholen.
    »Was machen wir denn jetzt?«, fragte ich ihn atemlos.
    »Mit ein paar Leuten reden.«
    Ein uniformierter Beamter kam aus einem Seitengang und eilte neben Oban her. »Ist er schon da?«, fragte Oban.
    »Er wartet in zwei«, antwortete der Mann. »Möchten Sie, dass ich mit ihm spreche?«
    »Das machen wir gleich selbst. Wird nicht lang dauern.«
    Ich folgte Oban nach rechts und dann nach links, bis wir schließlich vor einem Zimmer anhielten. Oban klopfte forsch. Die Tür ging auf, und eine Beamtin trat heraus. Sie nickte Oban respektvoll zu.
    »Wie ist er drauf?«
    »Ich weiß es nicht, Sir«, antwortete die Frau. »Er hat den Mund kaum aufgemacht. Außer, um zu gähnen.«
    »Warten Sie hier«, sagte er – zu ihr, nicht zu mir. »Es dauert höchstens fünf Minuten.«
    Er hielt mir die Tür auf, und ich ging hinein. Ich weiß nicht, was ich eigentlich erwartete, mir blieb keine Zeit zum Nachdenken. Deswegen fühlte ich mich, als ich Will Pavic sah, als hätte mir jemand ohne Vorwarnung einen Schlag ins Gesicht verpasst. Er lehnte am Tischende, die Hände in den Hosentaschen. Als er den Kopf wandte, trafen sich unsere Blicke. Nun hatte ich auch wackelige Knie. Abgesehen von einer kaum wahrnehmbaren Spur eines sardonischen Lächelns zeigte er keine Reaktion. Er trug einen grauen Anzug und ein weißes Hemd, aber keine Krawatte. Ich fragte mich, ob er tatsächlich verhaftet worden war. Nahmen sie den Männern immer noch die Krawatten weg, damit sie sich nicht aufhängen konnten?
    Ich drehte mich zu Oban um. »Mir war nicht …« Mehr brachte ich erst mal nicht heraus. »Mir war nicht bewusst
    …«
    »Mr. Pavic hat sich freundlicherweise bereit erklärt, kurz mit uns zu sprechen. Wie es aussieht, müssen wir ein, zwei Dinge klären. Bitte setzen Sie sich.«
    Oban deutete auf einen der Stühle am Tisch. Will nahm Platz. Er hatte noch immer kein Wort gesagt. Ich lehnte mich gegen die Wand gleich neben der Tür, so weit weg von ihm wie nur irgend möglich. Sein gelangweilter Blick war auf den Tisch gerichtet. Ich kannte diesen

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