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Das rote Zimmer

Titel: Das rote Zimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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wann genau ich ihn das letzte Mal hatte. Ich war so durcheinander. Als ich hinfiel, muss ich … ich war der Meinung, er wollte mir helfen … wie bin ich bloß auf diese Idee gekommen?«
    »Geht es wieder?«, fragte ich.
    Sie drehte sich zu mir um. »Ich glaube schon, ja«, antwortete sie. »Mir ist nur ein bisschen übel. Jetzt wird doch alles wieder gut, oder? Ich glaube, das ist noch gar nicht richtig zu mir durchgedrungen.« Mühsam brachte sie ein Lächeln zustande.
    »Das waren ein paar sehr aufregende Tage.«
    Oban streckte ihr die Hand hin. »Auf Wiedersehen, Mrs. Teale, wir werden uns sicher noch mal bei Ihnen melden. Bestimmt sind noch ein paar offene Fragen zu klären. Auch wenn es für Sie niemals klar genug sein wird, Kit.« Er grinste mich süffisant an.
    »Auf Wiedersehen, Bryony.« Ich wollte ihr ebenfalls die Hand geben, aber sie nahm mich in den Arm und küsste mich auf beide Wangen. Sie roch sehr sauber und fühlte sich zart und zerbrechlich an. »Sie waren sehr lieb«, flüsterte sie mir ins Ohr.
    »Danke.«

    »Zufrieden?«, fragte mich Oban im Gehen.
    »Seien Sie nicht so hämisch, Dan, das passt nicht zu Ihnen. Was ist denn Ihr nächster Programmpunkt?«
    »Die Pressekonferenz. Ich hoffe, Sie kommen mit.«
    »Sie verlieren keine Zeit, was?«
    »Nicht wenn wir einen Fall zu Ende gebracht haben.
    Springen Sie rein!« Er hielt mir die Beifahrertür auf.
    »Es ist mir ein Rätsel, warum ich mir von Ihnen so viel gefallen lasse.«

    Er lachte schallend. »Das soll wohl ein Witz sein!«
    Ich weiß nicht, warum, aber ich hob die Hand an die Wange und fuhr mit den Fingern leicht über meine Narbe.
    »Komisch«, sagte ich, »ich kann mich gar nicht mehr daran erinnern, dass ich früher nicht so ausgesehen habe.«
    »Was meinen Sie?«
    »Ich spreche von meiner Narbe.«
    »Sie sehen immer noch gut aus«, antwortete er verlegen.
    Dann fügte er hinzu: »Los, steigen Sie ein, wir können nicht den ganzen Nachmittag vor Mrs. Teales Haustür stehen und über Ihr Aussehen diskutieren.«

    Als ich nach Hause kam, wurde es bereits dunkel. In der Wohnung brannte kein Licht, was bedeutete, dass Julie noch nicht da war. Oben angekommen, ließ ich mir sofort ein Bad einlaufen. Vor weniger als zwölf Stunden hatte ich auf Doll hinuntergestarrt. Gegen meinen Willen tauchte vor meinem geistigen Auge sein Gesicht auf, nicht nur die blutige Masse auf dem Teppich, sondern das Gesicht, das er mir zugewandt hatte, als er am Kanal beim Fischen saß. Dieses erwartungsvolle Lächeln. Er hatte zwei Frauen umgebracht, Lianne und Philippa. Er hatte versucht, eine dritte zu töten, Bryony. Trotz alledem empfand ich plötzlich heftiges Mitleid mit diesem Mann.
    Er hatte nie eine Chance gehabt. Er war hinterhältig und abstoßend gewesen, ein perverser Mörder, aber er hatte nie eine Chance gehabt. Ich war schon zu vielen Menschen wie Doll begegnet.
    »Hallo. Du hast Schaum im Haar.«
    Ich setzte mich auf. »Ich habe dich gar nicht reinkommen hören.«
    »Das liegt wahrscheinlich daran, dass du unter Wasser warst. Die Wohnung sieht hübsch aus.«
    »Gut. Ich habe sie in letzter Zeit ziemlich vernachlässigt.«
    »Ja.«
    »Es ist vorbei.«
    »Was?«
    »Der Fall. Es ist vorbei. So wie es aussieht, ist es doch Michael Doll gewesen.«
    »Doll? Der Mann, der hier in der Wohnung war?«
    »Ja.«
    »Du lieber Himmel! In Zukunft passe ich besser auf, wem ich die Tür öffne.«
    »Was meinst du, Julie, sollen wir heute Abend ausgehen? Es sei denn, du hast was anderes vor.«
    »Ich würde liebend gern, aber ich bin momentan ziemlich pleite, weil …«
    »Du bist eingeladen. Ich habe jede Menge Geld, aber nichts, wofür ich es ausgeben könnte.«
    »Oh, im Ausgehen bin ich ganz groß!«

    Ich bestellte klare Brühe, thailändischen Fischkuchen, Satay mit Schwein und Huhn, Nudeln und Reis, gedämpfte Klößchen mit allerlei Gewürzen, Riesengarnelen in Chilisauce, Tintenfisch mit Zitronellgras und Koriander, Spareribs, eine Flasche südamerikanischen Wein. Julie schien beeindruckt, aber auch beunruhigt.
    »Und zwei Gläser Champagner«, fügte ich hinzu.
    »Wieso das alles?«
    »Was?«
    »Du hast genug für sechs bestellt. Du bist doch nicht etwa schwanger?«
    Der Champagner wurde serviert, und ich stieß mit Julie an.
    »Ich feiere heute Silvester.«
    »Wir haben August, Kit.«
    »Das neue Jahr kann jederzeit beginnen.«
    »Mir ist nicht ganz klar, ob du deine Sorgen ertränken oder feiern willst.«
    »Ein bisschen von beidem. Ich bin froh,

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