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Das rote Zimmer

Titel: Das rote Zimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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anschließend sofort zu verspeisen, nein, ich wollte sie bloß im Haus haben, als eine Art Willkommensgruß für jeden, der durch die Tür treten würde.
    Danach ging ich zu dem Gemüsehändler ein paar Häuser weiter und kaufte rote und gelbe Paprikaschoten, grüne Äpfel, eine blass gestreifte Melone, Nektarinen, violette Pflaumen und schöne schwarze Weintrauben. Im Blumenladen erstand ich einen großen, knalligen Strauß aus gelben und orangefarbenen Dahlien. Schwer beladen schwankte ich nach Hause. Die Plastiktüten schnitten mir in die Finger, und die Blumen kitzelten meine Nase. Ich setzte den Wasserkessel auf, mahlte Kaffeebohnen, steckte die Blumen in eine Glasvase, räumte den Käse in den Kühlschrank, arrangierte das Obst und das Gemüse in einer großen Schale. Na, bitte. Wenn Julie jetzt kam, würde sie wissen, dass ich wieder zu Hause war.
    Ich überlegte gerade, ob ich ein Bad nehmen sollte, als das Telefon klingelte.
    »Ja?«
    »Kit, ich hole Sie in ungefähr fünf Minuten ab, ja? Ich bin schon fast bei Ihnen.«
    »Ich dachte, Sie hätten gesagt, es sei vorbei, Daniel.«
    »Ist es auch, ist es auch. Wir müssen nur noch was zu Ende bringen. Es wird Ihnen gefallen, das verspreche ich Ihnen.«
    »Ich mag keine Überraschungen …«, setzte ich an, aber die Verbindung war bereits unterbrochen.

    »Sie waren bei dieser Sache von Anfang an dabei. Ich dachte mir, Sie sollten auch das Ende miterleben.«
    »Mich würde trotzdem interessieren, wo wir eigentlich hinfahren.«
    Oban grinste. »Nun hören Sie endlich auf zu murren!«
    Ein paar Minuten später standen wir vor der Haustür der Teales.
    »Woher wollen Sie wissen, dass sie überhaupt da ist?«
    »Ich habe vorher angerufen.«
    Als Bryony die Tür öffnete, erschrak ich über ihr Aussehen. Ihr Gesicht wirkte bleich, und sie hatte dunkle Ringe unter den Augen, als hätte sie seit Tagen nicht geschlafen. In ihrer alten Jeans und dem übergroßen weißen Hemd wirkte sie viel dünner als beim letzten Mal, und das Lächeln, mit dem sie uns begrüßte, erreichte ihre Augen nicht.
    »Kommen Sie herein.«
    »Es wird nicht lang dauern, Mrs. Teale«, erklärte Oban, als wir im Wohnzimmer standen. »Ich wollte Sie bloß fragen, ob Sie das hier kennen.« Dann zog er einen dünnen Handschuh über die rechte Hand, beugte sich zu der Tasche hinunter, die er dabei hatte, und zog wie ein Zauberer mit einer schwungvollen Bewegung einen kleinen Lederbeutel heraus.
    Bryony warf einen Blick darauf und schlug die Hände vor den Mund. »Ja«, flüsterte sie.
    »Er wurde in Michael Dolls Wohnung gefunden.« Er warf mir einen triumphierenden Blick zu.
    »Oh!«, keuchte sie, als hätte ihr jemand einen Schlag in die Magengrube versetzt. Mit einer abrupten Bewegung ließ sie den Kopf in die Hände sinken und begann wimmernd zu weinen. Zwischen ihren Fingern quollen Tränen hervor.
    Ich starrte zornig zu Oban hinüber, der sofort aufstand, zu ihr hinüberging und ihr ungelenk eine Hand auf die Schulter legte. »Ist ja gut! Schon gut! Es ist alles vorbei, Mrs. Teale, Bryony. Er ist tot, müssen Sie wissen. Sie sind jetzt in Sicherheit.«
    »In Sicherheit?« Sie hob ihr tränennasses Gesicht und starrte ihn verdutzt an. »In Sicherheit?«
    »Ja. Ich möchte über Einzelheiten noch nicht sprechen, kann Ihnen aber immerhin sagen, dass nach unserem derzeitigen Kenntnisstand Doll – der Mann, der bei dem Überfall auf Sie den Zeugen gespielt hat – der Mörder war. Wir hatten ihn von Anfang an in Verdacht, und nun ist er heute Morgen tot in seiner Wohnung aufgefunden worden. In seinem Besitz befanden sich Sachen von Ihnen beziehungsweise Philippa Burton. Dass dieser Beutel Ihnen gehört, wissen wir« – er hielt den Lederbeutel hoch und schüttelte ihn ein wenig, sodass sein Inhalt klirrte –,
    »weil er unter anderem Ihre mit Ihrem Namen versehenen Hausschlüssel enthält. Vielleicht hatte Doll auch Sachen von Lianne, aber das werden wir wohl nie erfahren.« Er nickte ihr freundlich zu. »Trophäen, verstehen Sie?«
    »Aber wie … was …?«
    »Er war zuvor schon einmal das Ziel eines Versuchs von Selbstjustiz gewesen, deswegen gehen wir davon aus, dass sie ihn diesmal erwischt haben.«
    »Mein Beutel«, sagte sie langsam. »Er hatte meinen Beutel.«
    »Können Sie sich erinnern, wann Sie ihn verloren haben?«
    »Nein. Keine Ahnung. Ich muss ihn in der Nacht des Überfalls verloren haben, aber ich wusste nicht … ich wusste, dass er weg war, aber ich konnte mich nicht erinnern,

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