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Das rote Zimmer

Titel: Das rote Zimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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dazu veranlassen sollen, sie alle umzubringen?«
    »War ja bloß ein erster Versuch«, gab Oban gereizt zurück.
    »Wenn Sie mir ein bisschen Zeit lassen, fällt mir vielleicht was Besseres ein.«
    »Bereitet Ihnen das kein Kopfzerbrechen?«
    »Was mir Kopfzerbrechen bereitet, ist das halbe Dutzend Mordfälle, bei denen ich nie zu einem Ergebnis gekommen bin. An diese Fälle muss ich jeden Abend vor dem Schlafengehen denken. Einmal im Jahr grabe ich die alten Akten aus und frage mich, ob wir etwas übersehen haben, oder ob es inzwischen neue Ermittlungsmethoden gibt, die wir vielleicht anwenden könnten. Dieser Fall dagegen ist abgeschlossen, und darüber bin ich froh. Mit den paar offenen Fragen habe ich kein Problem.
    Vergessen Sie nicht, die Realität ist immer schlauer als wir. Man darf nicht erwarten, alles zu verstehen.«
    Ich hätte gern noch etwas gesagt, aber ich hatte ihm versprochen, nach meinen zwei Fragen den Mund zu halten, und außerdem hatte drinnen ein Blasorchester zu spielen begonnen.

    41. KAPITEL
    Lottie und Megan saßen im Gras, vertieft in ein kompliziertes, nur ihnen verständliches Spiel. Eine Stunde zuvor hatte ich Lottie einen violetten Gummisaurier und Megan eine rotweiße Gummischlange geschenkt, und beide Tiere spielten jetzt eine wichtige Rolle. Amy hatte ich eine grün-blaue Krabbe mitgebracht. Sie war gerade damit beschäftigt, den Hügel hinunterzurollen und die Krabbe zu ermutigen, es ihr gleichzutun. Hinter ihnen lag London, das an diesem schwülen Nachmittag von Primrose Hill aus recht dunstig aussah.
    Ich lag auf einer Decke, den Kopf auf den Ellbogen gestützt, und trank gekühlten Weißwein.
    »Ich möchte alles darüber hören«, sagte Poppy.
    »Natürlich hat mir Seb schon einiges erzählt …« Sie warf erst einen Blick zu Megan, dann zu Amy hinüber.
    »Megan, lass das! Oder ich nehme es dir weg! Aber Sebs Version der Geschichte unterscheidet sich wahrscheinlich ziemlich von der deinen.« Ihr Ton klang sarkastisch.
    Ich legte mich auf den Rücken.
    »Ich weiß gar nicht, ob ich sie zusammenhängend erzählen kann«, antwortete ich. »Noch dazu an einem Nachmittag wie diesem, mit zwei Glas Weißwein intus.«
    Es war ein reines Frauenpicknick. Drei Mädchen spielten im Gras, während zwei Mütter und eine Nichtmutter auf der Decke lagen. Die zweite Mutter war Ginny, eine alte Freundin von Poppy. Die Väter waren anderweitig beschäftigt. Ginnys Mann spielte irgendwo Kricket, und Seb saß in einem Fernsehstudio.
    »Worüber spricht er denn zurzeit?«, fragte ich. »Noch immer über den Philippa-Burton-Fall?«
    »Ich glaube schon. Er macht Werbung für sein neues Buch, das schon fast fertig ist.«
    »Über den Fall? Das ging aber schnell!«
    »Er hat es praktisch parallel zum Fall geschrieben.«
    »Ist zwischen euch wieder alles in Ordnung?«
    »Nicht wirklich.« Sie sah wieder zu den Mädchen hinüber.
    »Aber ich kann jetzt nicht darüber sprechen.«
    »Natürlich. Später.«
    »Was das Buch angeht – da wirst du dich bestimmt sehr geschmeichelt fühlen. Rate mal, warum?«
    »Die Idee dazu hat er teilweise aus dieser Gutenachtgeschichte, die du den Mädchen erzählt hast, als du vor Monaten mal bei uns zum Abendessen warst.
    Danach konnten sie wochenlang nicht mehr schlafen.
    Irgendwas über ein Schloss.«
    »Welchen Titel hat das Buch?«
    » Das rote Zimmer, glaube ich. Kann das sein?«
    »Ja, das kann sein. Das war ein Albtraum, der mich damals quälte. Darum ging es in der Geschichte.«
    »Oh, verstehe. Seb hat bestimmt mit dir darüber gesprochen.«
    Ich schwieg, weil ich gerade von einer Welle des Selbstmitleids überrollt wurde. Man hatte mir das Gesicht zerschnitten, und danach schlug ich mich lange Zeit mit einem Albtraum herum. Nun hatte ich das Gefühl, als wäre ich auch noch überfallen und meines Albtraums, eines ganz persönlichen, privaten Albtraums beraubt worden. Ich leerte mein Glas und dachte: Na und, verdammt noch mal? Wen interessiert das?

    Über unsere Decke verstreut lagen Sandwiches, Obst, Brausedrinks für die Kinder und ein paar Sachen, die im Supermarkt in meinem Einkaufskorb gelandet waren: Plastikbehälter mit Kichererbsencreme und Taramasalat, Pitta-Brot, Oliven, Grissini, kleine Schweinepasteten, Babymöhren, mundgerecht zerteilte Blumenkohlröschen.
    Ich tauchte die Spitze einer Babykarotte in einen rosafarbenen Dip und nagte vorsichtig daran.
    Während ich so dalag und nagte, nippte und plauderte, fühlte ich mich – auf fast angenehme

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