Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das rote Zimmer

Titel: Das rote Zimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
Vom Netzwerk:
verdächtig ruhig? Waren sie ermordet worden? Ich musste an die kleine Emily denken, die wahrscheinlich im Sandkasten gespielt hatte, während ihre Mutter entführt und ermordet wurde. Ich stellte mir die Szene vor, wie ich es schon so viele Male zuvor getan hatte, mit Michael Doll in der Rolle des psychopathischen Mörders. Das war es. Ich sprang auf.
    »Wo willst du hin?«, fragte Poppy. »Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen.«
    »Vielleicht hab ich das. Tut mir Leid. Ich muss sofort weg. Mir ist etwas …«
    »Darf ich in die Sonne schauen?«, fragte Megan.
    »Nein!«, rief Poppy. »Du darfst niemals in die Sonne schauen!«
    »Warum nicht?«
    »Weil du dir sonst die Augen verbrennst.«
    »Und wenn ich die Augen zumache?« Sie schloss die Augen.
    »Geht es, wenn ich die Augen zumache?«
    »Ich glaube schon. Aber dann siehst du nichts.«
    »Es ist gar nicht dunkel«, berichtete Megan. »Es ist rot.
    Wo kommt das Rot her?«
    »Ich weiß nicht«, antwortete Poppy. »Ich nehme an, vom Blut in deinen Augenlidern.«
    »Blut?«, rief Megan. »Yippie! Ich sehe mein Blut!
    Kommt, jetzt sehen wir uns alle unser Blut an!«
    Und während die kleinen Mädchen blind auf dem sonnigen Hügel herumstolperten und sich ihr Blut ansahen, rannte ich davon, als wäre der Teufel hinter mir her.

    42. KAPITEL
    Atemlos traf ich in meiner Wohnung ein. Mein Kopf brummte von zu viel Weißwein und Sonne, aber ich griff sofort nach dem Telefon und rief Oban an. Er war irgendwo unterwegs. Im Hintergrund konnte ich Verkehrslärm und Stimmen hören. »Störe ich Sie bei der Arbeit?«, fragte ich.
    »Wir haben Wochenende, Kit«, sagte er. »Worum geht’s? Wollen Sie mit mir in die Oper gehen?«
    »Ich wollte Sie bloß vorwarnen, dass ich noch einmal mit dem kleinen Mädchen sprechen werde, Emily Burton.«
    »Was?«
    »Sie wissen schon, Philippa Burtons Tochter.«
    »Ich weiß verdammt genau, wer sie ist. Das … das …«
    Er schien nach Luft zu schnappen. »Das halte ich für keine gute Idee.«
    »Ich muss ihr nur noch eine einzige Frage stellen.«
    »Kit, Kit«, sagte er in besänftigendem Ton, als stünde ich gerade sprungbereit auf einem Fensterbrett, »es gibt immer noch eine einzige weitere Frage. Überlegen Sie doch mal, was Sie da tun. Sie versetzen diese arme Familie erneut in Aufregung, wühlen alles wieder auf. Sie treiben sich selbst in den Wahnsinn. Und Sie treiben mich in den Wahnsinn. Lassen Sie es gut sein.«
    »Ich wollte Sie fragen, ob Sie es für sinnvoll halten, wenn mich eine Beamtin begleitet.«
    »Nein, definitiv nein. Der Fall ist abgeschlossen. Dies ist ein freies Land, Sie können besuchen, wen Sie wollen, aber mit uns hat das nichts mehr zu tun. Ehrlich, Kit, ich habe Sie sehr gern, aber Ihnen fehlt irgendwas, ich weiß nicht genau, was Sie brauchen …«
    Die Verbindung wurde unterbrochen. Entweder war Oban in einen Tunnel gefahren, oder er hatte einfach entnervt aufgegeben. Ein Kassettenrekorder. Das war es, was ich brauchte. Irgendwo musste ich einen haben.
    Nachdem ich ein paar Minuten herumgestöbert hatte, zog ich unten aus einem Schrank ein schmuddeliges kleines Gerät hervor. In einer Schublade voller alter Stöpsel, Gummibänder, Stifte ohne Kappe und einer langen Gänseblümchenkette aus Büroklammern fand ich dann auch noch eine alte Kassette, eine Partykassette aus meiner Collegezeit. Das würde reichen. Ich rief bei den Burtons an. Eine Frau nahm ab.
    »Hallo. Spreche ich mit Pam Vere?«
    »Ja.«
    »Hier ist Kit Quinn. Erinnern Sie sich an mich? Ich bin die …«
    »Ja, ich erinnere mich.«
    »Ich wollte fragen, ob ich vielleicht nochmal vorbeikommen und mit Emily sprechen dürfte.«
    »Sie ist im Moment nicht da.«
    »Geht es vielleicht später?«
    »Aber ich dachte, es wäre vorbei …«
    »Es sind nur noch ein paar kleine Fragen zu klären.
    Außerdem wollte ich sehen, wie es Emily geht.«
    »Besser, glaube ich. Wenn sie mit ihren Freundinnen zusammen ist, macht sie einen recht glücklichen Eindruck.
    Außerdem haben wir jetzt ein Au-pair-Mädchen.«
    »Darf ich kommen? Es dauert wirklich nur fünf Minuten.«
    »Ich möchte nicht unhöflich sein, aber ist das wirklich nötig?«
    »Ich wäre Ihnen sehr dankbar«, antwortete ich in entschiedenem, unnachgiebigem Ton.
    Am anderen Ende der Leitung herrschte einen Moment Schweigen. »Sie wird kurz nach vier wieder hier sein.
    Vielleicht könnten Sie vor dem Tee mit ihr sprechen.«
    »Ich komme pünktlich.«

    Es war förmlicher als bei den

Weitere Kostenlose Bücher