Das rote Zimmer
grinsend an.
»Sie wirken recht fröhlich«, stellte ich fest.
»Das bin ich auch. Ich habe schon anderthalb Stunden mit Ihnen verbracht, ohne dass Sie gesagt haben, ich hätte mit allem Unrecht.«
Ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen. »Darauf wollte ich gerade zu sprechen kommen«, erklärte ich. Die Glocke läutete den zweiten Teil ein. Ich nahm einen Schluck von meinem Drink. »Ich habe heute nämlich auch gute Laune. Es ist ein schöner Abend, und ich bin endlich mal wieder unter Leuten. Das Problem ist nur, dass ich, sobald ich fröhlich bin, sofort anfange, mir Sorgen zu machen. Ich glaube, die Menschen sind nur deswegen glücklich, weil es irgendwo irgendwas gibt, das sie noch nicht wissen.«
»Mit der Einstellung werden Sie nie glücklich werden«, meinte Oban.
»Ja, das bekomme ich ständig zu hören. Ich muss auch nur noch eine einzige Sache loswerden, dann halte ich den Mund.
Ich weiß, wir sollten zufrieden mit uns sein, weil wir unseren Job gut gemacht haben und all das, aber etwas nagt noch an mir – es ist, wie wenn man ein Hemd kauft und, egal, wie gewissenhaft man es absucht, immer noch eine Nadel übrig bleibt, die einen sticht.«
Oban starrte mich erstaunt an. »Und darüber wollten Sie unbedingt noch mit mir sprechen? Über Hemden?«
»Nein, hören Sie mir erst mal zu. Bei Michael Doll wurden doch diese Trophäen gefunden.«
»Das ist nicht weiter ungewöhnlich, oder? Sie sind doch diejenige, die sich mit solchen Sachen auskennt. Mörder behalten solche Dinge, nicht?«
»Ja, das tun sie«, gab ich ihm Recht. »Das kommt sehr häufig vor. Sie machen das, um weiter Macht über ihre Opfer zu haben, die Erfahrung immer wieder neu durchleben zu können. Aber offensichtlich handelt es sich hier nicht um die übliche Art von Trophäen. Die Schnabeltasse gehörte dem kleinen Mädchen, das nicht sein Opfer war.«
»Ja, aber die Tasse war trotzdem eine Trophäe, oder etwa nicht? Sie erinnerte ihn daran, dass er die Mutter der Kleinen umgebracht hat. Vielleicht war ja in dem Müllhaufen, in dem er lebte, noch was anderes, das Philippa Burton gehört hat.«
»Möglich«, antwortete ich. »Aber der Lederbeutel von Bryony war genauso wenig eine normale Trophäe. Schon allein deshalb, weil Bryony gar nicht tot ist.«
»Er hat den Beutel während des Kampfes an sich genommen und behalten. Praktischerweise steckte darin ja auch noch der Schlüssel zu Bryonys Haus. Er hätte Gebrauch davon machen können.«
»Ja«, antwortete ich. »Ich erwähne jetzt nur noch zwei Punkte, die mir seltsam vorkommen, und dann gehen wir wieder hinein, sehen uns die Show zu Ende an und reden nicht mehr darüber, in Ordnung? Also, wir nehmen inzwischen ja an, dass es sich bei dem Mann, der Bryony Teale auf dem Treidelpfad überfallen hat, um Michael Doll handelte. Das würde jedenfalls den seltsamen Zufall erklären, dass er erneut am Tatort war. Aber was ist mit dem anderen Mann?«
»Darüber habe ich mir auch schon Gedanken gemacht.«
Oban nahm einen weiteren Schluck von seinem Drink.
»Wir haben das Ganze anfangs aus dem falschen Blickwinkel betrachtet. Statt Terence Mack und Mickey Doll, die Bryony vor einem unbekannten Mann retten, haben wir nun Terence Mack und einen unbekannten Mann, die Bryony vor Mickey Doll retten. Nachdem die verschiedenen Versionen von Mack und Bryony sowieso total nutzlos waren, verwundert es auch nicht weiter, dass beide nicht kapiert haben, worum es da eigentlich ging.«
»Und dieser unbekannte Held ist davongelaufen, weil er zu bescheiden war, um sich mit all dem Ruhm zu schmücken?«
»Es gibt genug Leute, die nichts mit der Polizei zu tun haben wollen, nicht einmal als Zeuge. Vielleicht hatte er Drogen bei sich, irgendwas in der Art.«
»Also gut«, sagte ich. »Letzte Frage. Was ist mit Philippa Burtons Liste? Was ist mit den Telefonaten mit dem Jugendhaus?«
Oban leerte sein Glas und stellte es auf die Bar. »Fakt ist, dass wir das nun nicht mehr zu wissen brauchen. Wenn ein Mörder stirbt, bevor ihm der Prozess gemacht werden kann, dann bleiben immer ein paar Fragen offen. In diesem Fall könnte es alle möglichen Erklärungen geben.
Vielleicht … vielleicht …« Er überlegte. »Vielleicht hat Bryony ein Foto von Lianne gemacht, und … und Philippa hat es bei einer Ausstellung gesehen und wollte einen Abzug und …«
»Bryony behauptet, keine von beiden gekannt zu haben.
Und warum hätte sie dann im Jugendhaus anrufen sollen?
Und wieso hätte das Michael Doll
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