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Das rote Zimmer

Titel: Das rote Zimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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wie Lianne. Sogar ich wusste, dass das nicht ausreichte, um die beiden Fälle miteinander in Verbindung zu bringen. Trotzdem wurde ich das Gefühl nicht los, dass sich da ein Bezug herstellen ließ. Wenn es mir nur endlich gelänge, mit einem anderen Blickwinkel an die Sache heranzugehen.
    Ich verließ die Leichenhalle und entschloss mich zu einem Spaziergang über die Heide. Obwohl es nicht regnete, war es ein trister, grauer Tag. Das Gras fühlte sich nass an, und auch von den Bäumen tropfte ständig Wasser herunter. Es waren nicht viele Leute unterwegs, bloß ein paar Jogger und Hundebesitzer, die Stöcke ins moorige Unterholz warfen. Ich marschierte schnellen Schritts dahin, vorbei am Spielplatz und an den Teichen, den Hügel hinauf, wo die Leute an sonnigen Tagen Drachen steigen ließen. Ich hatte kein richtiges Ziel, ging einfach nur im Kreis herum, während die Gedanken in meinem Kopf ebenfalls ziellos kreisten.

    15. KAPITEL
    Eine Gruppe von Detectives misstraute mir bereits. Nun musste ich mich mit einem zweiten Team herumschlagen.
    Zumindest gehörte es zum selben Revier – was angesichts der Meinung, die man von mir hatte, gar nicht so gut war.
    Oban war trotz seiner Bedenken nett, sprach mit dem Leiter der im Mordfall Philippa Burton ermittelnden Einsatzgruppe und sagte freundliche Dinge über mich, was dazu führte, dass ich binnen eines Tages Detective Chief Inspector Vic Renborn gegenübersaß. Er war ein großer, kahlköpfiger Mann, der nur noch einen ganz kleinen Rest rötlichen Haars über den Ohren und am Hinterkopf hatte.
    Mit seinem leuchtend roten Gesicht bot er einen beängstigenden Anblick. Ich konnte mir vorstellen, dass Ärzte Wetten darüber abschlossen, ob ihn zuerst der Herzinfarkt oder der Schlaganfall ereilen würde. Beim Reden keuchte er leicht, als wäre der anstrengende Akt, mir die Türe zu öffnen, bereits zu viel für ihn gewesen.
    »Oban sagt, Sie interessieren sich für Philippa«, begann er, als würde er beiläufig von einer Freundin nebenan sprechen.
    »Ja.«
    »Alle interessieren sich für Philippa.«
    »Ich weiß.«
    »Ich habe uniformierte Beamte im Einsatz, die rund um die Stelle, wo sie gefunden wurde, den Verkehr regeln und die Menschenmassen in Zaum halten. Wir waren gezwungen, Ampeln aufzustellen und einen provisorischen Parkplatz anzulegen. Die Leute kommen aus dem ganzen Land angereist und legen Botschaften und Blumen nieder. Eben hatte ich einen kanadischen Gerichtsmediziner am Telefon. Er hält sich zur Zeit in London auf, um für ein Buch zu werben, und hat uns seine Dienste angeboten. Genau wie ein Astronom. Ist das korrekt?« Er blickte fragend zu einer Beamtin hinüber, die mit einem Laptop in der Ecke saß.
    »Ein Astrologe, Sir.«
    »Ein Astrologe. Und ein paar Leute mit übersinnlicher Wahrnehmung. Eine Frau hat letzten Monat von dem Mord geträumt. Eine andere hat behauptet, den Mörder identifizieren zu können, wenn wir ihr ein Stück blutgetränkte Kleidung geben. Die von der Presse schnüffeln überall herum. Hier geht’s zu wie im Tollhaus.
    Ich kann mich wirklich glücklich schätzen. Alle wollen mir helfen. Dabei habe ich noch rein gar nichts in der Hand. Und zu allem Überfluss zieht noch mein Büro um, sodass ich nicht mal einen Ort habe, an dem ich mich verstecken kann. Sind Sie hier, um mir zu helfen?«
    »Ich habe mit diesem Fall im Grunde nichts zu tun.«
    »Wahrscheinlich sollte ich jetzt erleichtert sein. Oban sagt, Sie unterstützen ihn bei den Ermittlungen im Fall einer Stadtstreicherin, die tot am Kanal gefunden wurde.«
    »Das stimmt«, antwortete ich. »Ihretwegen haben sich keine Leute mit übersinnlicher Wahrnehmung gemeldet.
    Um sie schert sich keiner.«
    »Was wollen Sie mit Philippa Burton?«
    »Das weiß ich selbst noch nicht so genau.«
    »Hängt es damit zusammen, dass es sich um einen spektakulären Fall handelt?«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Ich wollte Sie nur darüber informieren, dass ich bereits einen psychologischen Berater habe. Seb Weiler – kennen Sie ihn?«
    »Ja.«
    »Ein fähiger Mann?«
    Ich zögerte einen Moment. »Ich bin nicht hier, um mit ihm zu konkurrieren«, antwortete ich diplomatisch.
    »Unser Problem ist, dass wir nur eine Zeugin haben, und die ist erst drei Jahre alt.«
    »Hat sie was gesagt?«
    »Jede Menge. Sie mag Erdbeereis, Der König der Löwen und kleine Plüschtiere. Sie verabscheut Avocados und laute Geräusche. Wir haben eine Kinderpsychologin engagiert, die ihre Zeit damit verbringt,

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