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Das rote Zimmer

Titel: Das rote Zimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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Müllcontainern standen mehrere große Metalltonnen. Berge von alten Brettern lagen herum, irgendetwas war mit einer Plane abgedeckt. Auf einer Seite hatte sich eine Buddleia durch den Asphalt gekämpft, die sich mittlerweile zu einem großen Strauch mit leuchtenden pinkfarbenen Blüten entwickelt hatte.
    Schmetterlinge umflatterten sie wie kleine, im Wind tanzende Papierfetzen. Ein hübscher Anblick. Ich wandte mich wieder meinem widerstrebenden Publikum zu. »Als ich die Akten über Philippa Burton durchging, schrillte in meinem Kopf eine Alarmglocke.«
    »Wieso, Kit?«, fragte Rosa, während Oban gleichzeitig verkündete: »Wir haben Sie nicht engagiert, irgendwelchen Glocken zu lauschen. Im Fall Philippa Burton rufen uns jeden Tag genügend Leute an, die Glocken läuten hören, weil sie angeblich übersinnliche Fähigkeiten besitzen.«
    Ich musste an meine Männergruppe in Market Hill denken, an die Dinge, die sie getan hatten, und an ihre schräge Sicht der Welt. Von ihnen hatte ich so manches gelernt, wovon niemand hier im Raum etwas ahnte.
    Zumindest das konnte mir keiner nehmen. »Verbrecher hinterlassen eine Art Signatur«, erklärte ich. »Das tun sie immer, auch wenn sie versuchen, sie zu verwischen, denn mit der Signatur eines Mörders verhält es sich ein bisschen so wie mit der Bedeutung eines Gedichts. Es gibt zum einen die vom Dichter selbst beabsichtigte Bedeutung, aber darüber hinaus kann es noch eine verborgene geben, derer sich der Dichter gar nicht bewusst war. Manchmal halten die Verbrecher selbst etwas Bestimmtes für ihre Signatur, aber in Wirklichkeit ist es etwas ganz anderes.«
    Rasch sprach ich weiter, um mein letztes Argument vorzubringen, bevor sie gänzlich das Interesse verloren.
    »Was mir im Mordfall Philippa Burton besonders aufgefallen ist, war die Tatsache, dass sie mit dem Gesicht nach unten lag. Genau wie Lianne.«

    Ich sah Oban an. Er erwiderte meinen Blick freundlich, fast ein wenig mitleidig. »Ist das alles?«, wollte er wissen.
    »Darüber haben wir doch schon gesprochen, Kit.«
    »Haben Sie jemals einen Menschen, der noch nicht lange tot war, mit dem Gesicht nach oben liegen sehen?«, fragte ich ihn.
    »Ja, ich denke schon«, antwortete Oban zögernd.
    »Ich habe viele Fotos von solchen Leichen gesehen. Ihre Augen sind offen, starren nach oben. Bestimmt kennen Sie Gemälde, bei denen man das Gefühl hat, als würden einem die Augen der darauf abgebildeten Personen durch den ganzen Raum folgen. Bei den Augen eines Toten ist das Gegenteil der Fall. Sie wirken auf eine hässliche Weise statisch, blicken starr geradeaus, vielleicht sogar vorwurfsvoll. Sicher können Sie sich vorstellen, dass Sie, wenn Sie jemanden umgebracht hätten, den Wunsch verspüren würden, die Leiche mit dem Gesicht nach unten abzulegen, um nicht von ihr angestarrt zu werden.«
    »Vielleicht, Kit, aber mit einer Leiche ist es nun mal wie mit einer Butterstulle, sie kann nur auf zwei Arten landen, mit der gebutterten Seite nach oben oder nach unten. Das reicht nicht aus, um darauf eine Theorie aufzubauen.«
    »Erinnern Sie sich an die Wunden an Liannes Körper?
    Wo waren sie?«
    »Am Bauch. Magen, Brustkorb, Schultern.«
    »An der Vorderseite ihres Körpers. Und trotzdem lag sie mit dem Gesicht nach unten. Das ist, als würde man ein Aquarell malen und es dann verkehrt herum aufhängen, mit der Farbe zur Wand.« Ich blickte zu Rosa hinüber. Sie zog ein Gesicht.
    »Ich finde es problematisch«, erklärte sie, »wenn du von diesen Frauen sprichst, als wären sie Kunstwerke.«

    »Ich weiß, aber in gewisser Hinsicht sind sie tatsächlich Kunstwerke«, erwiderte ich. »Diese Werke mögen noch so bösartig und stümperhaft sein und keinerlei ästhetischen Wert besitzen, aber es sind trotzdem Kunstwerke, und uns bleibt nichts anderes übrig, als sie zu interpretieren. Wie du weißt, tue ich dasselbe auch im Market-Hill-Hospital.
    Ich interpretiere Verbrechen, als würde es sich dabei um Symptome und Muster handeln. Ich suche nach Bedeutungen. Wie würden Sie die Wunden bezeichnen, Detective?«
    »Brutal«, antwortete Oban. »Das Werk eines Rasenden.«
    »Ich würde sie mit ganz anderen Worten beschreiben.
    Eher mit lauwarm. Präzise. Sogar dekorativ. In mancher Hinsicht sah der Fall durchaus nach einem brutalen Sexualverbrechen aus, aber ich hatte von Anfang an so ein Gefühl, dass es das nicht war.« Ich sah, wie Oban das Gesicht verzog. »Wie gesagt, es gab durchaus Anzeichen für ein Sexualverbrechen

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