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Das rote Zimmer

Titel: Das rote Zimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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gebeten, dass man einen Arzt vorbeischickt, der Ihnen alles erklären kann.«
    »Was ist passiert?«
    »Bryony Teale ist abends am Kanal entlangspaziert, das dumme Mädchen. Manche Leute tun so, als wäre es ein idyllisches Flussufer auf dem Land. Sie wurde von einem Mann überfallen, aber während er sie attackierte, kamen auf dem Pfad zwei weitere Leute daher. Der Mann ergriff die Flucht. Man hörte einen Wagen mit quietschenden Reifen wegfahren.«
    Ich schwieg. Meine Gedanken rasten. »Sind Sie sicher, dass da eine Verbindung besteht?«
    »Wir überprüfen das noch. Aber es war fast auf den Meter genau an derselben Stelle, wo Liannes Leiche gefunden wurde. Das scheint mir doch sehr auf eine Verbindunghinzudeuten.«
    »Lieber Himmel! Und gab es Zeugen?«
    »Ja, zwei.«
    »Konnten sie den Wagen beschreiben?«
    Oban schüttelte mit finsterer Miene den Kopf. »Das wäre zu schön, nicht? Sie waren damit beschäftigt, Bryony zu helfen. Sie war in einem schrecklichen Zustand.«
    »Hat sie schon was gesagt?«
    »Noch nicht. Sie steht unter einem schweren Schock. Sie kann kaum sprechen.«
    »Was mache ich dann hier?«
    »Ich möchte trotzdem, dass Sie mit ihr reden. Jetzt, später, wann immer sie dazu in der Lage ist. Ich möchte wissen, was Sie aus ihr herausbekommen können.
    Hypnotisieren Sie sie, leuchten Sie ihr mit einem Lämpchen in die Augen, halten Sie ihr einen Gegenstand vor die Nase, egal, was, Hauptsache, Sie bringen in Erfahrung, was sie weiß.«
    »Natürlich. Aber was ist mit Seb?«
    »So was ist nicht ganz sein Ding. Machen Sie sich seinetwegen keine Gedanken. Ich regle das mit ihm.
    Außerdem ist eine Frau für diesen Job besser geeignet.«
    »Dr. Quinn?«
    Ich blickte mich um. Hinter mir stand ein Arzt, ein bereits kahl werdender, sehr bleicher Mann in meinem Alter, der einen leicht genervten Eindruck machte.
    Wahrscheinlich war er der Meinung, dass wir hier nur im Weg herumstanden und ihm die Zeit stahlen. Er sah aus, als sollte er eigentlich an zwei Orten gleichzeitig sein.
    »Ja.«
    »Ich bin Dr. Steen. Wie ich höre, interessieren Sie sich für Bryony Teale.« Er warf einen Blick auf sein Klemmbrett. »Sie ist keine Patientin von mir, aber ich habe mir ihre Karte angesehen. Keine Verletzungen, abgesehen von ein paar oberflächlichen Schürfwunden.
    Sie steht unter Schock, was verständlich ist. Dr. Lander hat entsprechende Maßnahmen ergriffen – Rehydratation, Wärme, das Übliche. Wir beobachten sie noch. Bis zum Morgen dürfte sie sich einigermaßen erholt haben.«
    »Hat sie Familie? Ist jemand verständigt worden?«
    Steen zuckte mit den Achseln. »Sie ist keine Patientin von mir«, antwortete er. »Tut mir Leid.«
    »Kann ich mit ihr reden?«
    Er warf einen ratlosen Blick auf sein Klemmbrett, als erhoffte er sich von ihm eine Antwort. »Ich weiß nicht«, antwortete er schließlich zögernd. »Das ist wahrscheinlich keine so gute Idee.«
    »Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen«, erklärte ich.

    »Ich bin es gewöhnt, mit solchen Patienten umzugehen.
    Ich werde sie nicht zu sehr bedrängen.«
    »Also gut«, antwortete er. »Ich glaube, es ist eine Krankenschwester bei ihr. Ich muss leider gehen, ich bin sehr in Eile.«
    Und weg war er.
    »Na also«, sagte ich. »Soll ich jetzt reingehen?«
    »Ich bitte darum«, antwortete Oban.
    Meine Hand lag bereits auf dem Türgriff, als ich mich noch einmal umdrehte. »Eins verstehe ich nicht«, sagte ich. »Eigentlich ist das für den Fall doch eine positive Entwicklung. Wir haben Zeugen, und es ist niemand ums Leben gekommen. Warum wirken Sie so niedergeschlagen?«
    »Ich bin eigentlich gar nicht niedergeschlagen«, antwortete Oban. »Bloß verwirrt. Und das gefällt mir nicht.«
    »Wieso verwirrt?«
    »Es gibt da einen Punkt, den ich noch nicht erwähnt habe.«
    »Nämlich?«
    »Diese beiden Zeugen, die Bryony gerettet haben.«
    »Ja?«
    »Einer von ihnen war Mickey Doll.«

    26. KAPITEL
    In dem Moment hätte ich gern mein Gesicht gesehen.
    »Doll?«, wiederholte ich dümmlich. »Doll?« Oban starrte mich bedrückt an und nickte. »Er war wieder Zeuge?«
    »So ist es.«
    »Aber das …« Ich hielt inne. Ich wusste nicht, was ich sagen oder denken sollte.
    »Tja.«
    »Aber warum?«
    »Daran arbeite ich noch.«
    Wir schwiegen beide eine ganze Weile. Ich war zu keiner Bewegung fähig, geschweige denn zu klaren Gedanken oder Aussagen. »Nun«, brachte ich schließlich heraus, »ich spreche jetzt wohl besser mit dieser Frau.«

    Das Erste, was mir

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