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Das rote Zimmer

Titel: Das rote Zimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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Telefon aus dem Schlaf riss, hatte ich sofort das Gefühl, dass es noch mitten in der Nacht war. Meine Augenlider fühlten sich an wie zusammengeklebt. Wie lange hatte ich geschlafen? Ich befand mich in meinem eigenen Bett, aber seltsamerweise nicht auf meiner üblichen Seite, sondern dort, wo Albie immer gelegen hatte. Als ich den Arm ausstreckte, wurde mir mit einem schmerzhaften Ziehen in der Magengegend bewusst, dass ich allein war. Will war weg.
    »Ja?« Mehr brachte ich nicht heraus.
    »Kit?«
    »Mit wem spreche ich?«
    »Furth. Geht es Ihnen nicht gut?«
    »Was?«, fragte ich dümmlich. »Sie müssen entschuldigen, aber Sie haben mich aufgeweckt.«
    »Es ist ein Wagen unterwegs, der Sie abholen wird.
    Schaffen Sie das?«
    »Wieso?«
    »Der Chef möchte Sie im Krankenhaus sehen.«
    »In welchem Krankenhaus?«
    Am anderen Ende herrschte einen Moment Schweigen.
    »Was spielt es für eine Rolle, um welches Krankenhaus es sich handelt?«
    »Ich weiß auch nicht. Was ist passiert?«
    »Ich hab jetzt keine Zeit. Wir erklären Ihnen alles vor Ort. Schaffen Sie das? Oder soll ich sagen, dass Sie nicht kommen können?«

    Mein Gehirn erwachte allmählich zum Leben, wenn auch langsam, wie eine Eidechse in der Morgensonne. Mir war mittlerweile klar, dass es Furth am liebsten gewesen wäre, ich hätte mürrisch gebrummt, dass ich weiterschlafen wolle, und den Hörer auf die Gabel geknallt.
    »Kein Problem«, sagte ich. »Wo treffen wir uns?«
    »Der Fahrer weiß Bescheid«, antwortete Furth und legte auf.
    Der Wagen war bereits unterwegs. Mir blieben nur ein paar Minuten. Ich stürmte unter die Dusche, drehte den Hahn auf sehr kalt und gestattete mir, einen Moment an Will zu denken, daran, wie wir uns wie zwei Ertrinkende aneinander geklammert hatten. Wer versuchte da wen in die Tiefe zu ziehen? Worum, zum Teufel, war es bei der ganzen Sache überhaupt gegangen? Wieso hatte er sich hinausgeschlichen wie ein Dieb? Ich drehte den Hahn in die andere Richtung, bis das Wasser so heiß war, dass es auf meiner Haut brannte. Ich musste an seinen Gesichtsausdruck denken, als er gekommen war, an den Laut, den er dabei ausgestoßen hatte, fast schon ein Schluchzen, und an die körperliche Nähe, die ich so lange entbehrt hatte. Dann war ich ebenfalls gekommen. Er hatte mich so fest gehalten, dass es mir fast Angst machte, und nun war er weg. War es das jetzt gewesen? Tja, dachte ich.
    Tja, was?
    Schnell trocknete ich mich ab und begann mich anzuziehen. Ich knöpfte gerade meine Bluse zu, als Julie hereinkam, splitterfasernackt. Sie schien niemals einen von den Filmen gesehen zu haben, in denen sich die Heldin nach dem Aufstehen sofort in ein Handtuch hüllt.
    Anfangs hatte ich mich gefragt, ob sie das wohl tat, um zu demonstrieren, dass sie für eine so schlanke Frau irritierend große Brüste hatte, aber eigentlich machte sie sich über solche Dinge keine Gedanken, was ich fast noch beunruhigender fand. »Was ist los?«, fragte sie.
    »Feueralarm?«
    »Arbeit«, antwortete ich. »Scheint irgendwas passiert zu sein. Keine Ahnung, was.«
    »Du meine Güte!«, sagte sie. »Das klingt aber wichtig.«
    »Keine Ahnung. Sie haben mich gerade angerufen.« Ich fühlte mich noch immer nicht wach genug, um komplexere Sätze zu formulieren.
    »Möchtest du eine Tasse Kaffee?«
    »Ich glaube nicht, dass dafür noch Zeit ist. Sie haben schon einen Wagen losgeschickt, der mich abholen soll.«
    Julie lächelte. »Ich habe gehört, dass du gestern Nacht Gesellschaft hattest.«
    »Von wem hast du das gehört?«
    »Nein, ich meine, ich habe es gehört. Durch die Wand.«
    »Lieber Himmel, Julie, also wirklich …«
    »Nein, nein«, unterbrach sie mich. »Ich konnte nichts dagegen tun. Es liegt an den Wänden. Sie sind dünn wie Papier.«
    Ich spürte, wie ich knallrot anlief. »Das ist mir jetzt aber peinlich. Tut mir Leid, wenn du nicht schlafen konntest.
    Ich dachte, du wärst gar nicht da.«
    »Ich bin früher nach Hause gekommen als sonst. Aber es braucht dir nicht Leid zu tun, ich habe mich für dich gefreut. Du hast ein bisschen Spaß verdient.«
    »Als Spaß habe ich es nicht gerade empfunden.« Auf irgendeine bescheuerte Weise kam ich mir vor wie eine prüde ältere Verwandte von Julie.
    »Wirklich?« Ihre Miene wirkte plötzlich besorgt. »Hat sich aber durchaus nach Spaß angehört. Wer war der Typ?«
    Ich holte tief Luft und stieß dann eine Art Schnauben aus.
    »Wie der Zufall so spielt … es war Will. Du weißt schon, Will Pavic.«
    »Du

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