Das Runenschwert (Die Saga von den drei Königreichen) (German Edition)
würde irgendwann wieder zurück an Olafs Hof müssen und irgen dein politisches Amt als Neffe des Königs übernehmen müssen. Sie hatte sich nie getraut ihn danach zu fragen, denn sie hatte Angst vor seiner Antwort und Angst davor, dass ihm eine Trennung weniger ausmachen würde als ihr. Auch wenn sie sich schon königlich geben konnte und versuchte ihre Machtposition auszuüben, kam sie sich in Ketills Gegenwart immer vor wie ein kleines, verunsichertes Mädchen.
Gröd, ein junger Norr, nicht älter als sie selber, kam über den vor ihnen liegendem Hügel gelaufen, direkt auf sie zu. Für einen kurzen Moment kam Panik in ihr hoch, doch an Gröds Gesichtsausdruck konnte sie erkennen, dass es keinen Grund zur Beunruhigung gab. Das Laufen war nur ein normaler Teil seiner Aufgabe als Kundschafter.
„Vor uns liegt eine Anhöhe“, berichtete er, „die geeignet scheint, um ein Nachtlager aufzuschlagen. Sie ist durch große Steine geschützt und nur schwer angreifbar.“ Cathyll nickte und stieg von ihrem Schimmel.
Nach ihrem Sonnengebet war Pater Balain äußerst guter Dinge. Cathyll, die ihre Anspannung nicht ablegen hatte können, war von seiner guten Laune fast ein wenig irritiert.
„Warum die gute Laune, Pater?“
Er schaute sie milde an. „Die Sonne hat mit mir geredet. Es wird alles gut. Morgen sitzt Ihr auf Eurem Thron.“ Cathyll hatte im La ufe der Zeit in Norrland eine neue Beziehung zum Glauben ihrer Eltern erlangt, aber dass jemand ernsthaft mit der Sonne reden konnte, das schien ihr abwegig. Während sie Balain von der kleinen Stelle unter einem Apfelbaum zur Mitte des Lagers folgte, überlegte sie, ob sie sich vom Optimismus des Priesters anstecken lassen sollte. Hjete, die als einzige Frau außer ihr mitgekommen war, unterbrach ihre Überlegungen: „Dein Schlaflager ist hier, Kleines, direkt neben meinem. Ich habe uns etwas Abstand von diesen stinkenden Schweinen bewahrt.“ Dabei deutete sie auf die Männer um sie herum. Cathyll musste lachen, in Mal Kallin würde es niemand wagen, so mit ihr zu sprechen, was sie äußerst schade fand. Sie hatte den derben Humor der Norr lieb gewonnen. Um sie herum war jeder damit beschäftigt entweder seinen eigenen Schlafplatz zu richten oder nach Feuerholz zu suchen oder in einem Radius um das Lager herum Äste auszulegen, die eventuelle Eindringlinge verraten sollten. Cathyll wusste schon jetzt, dass sie nicht würde schlafen können. Sie war kurz davor ihr altes Leben zurückzugewinnen. Die Tage bei Hrolf waren die schönsten in einer langen Zeit gewesen und sie sehnte sich nach dem Frieden des ankilanischen Lebens.
Ein riesiges Feuer wurde geschürt, über dem mitgebrachtes Wild von Hrolf gebraten wurde. Die Gruppe gab sich keine Mühe ihre Spuren zu verwischen. Man würde ihre Gegenwart sowieso beme rken.
Die Norr hatten gefallen am hochprozentigen Whay gefunden, der auf Hrolfs Gut gebrannt wurde und so sang man bald Lieder von vergangenen Heldentaten. Erst als Gröd Eyvind aufforderte etwas zum Besten zu geben, wurde die Stimmung ruhiger. Der Skalde verstand es die Atmosphäre von einem auf den anderen Moment zu verändern. Er nahm seine Harfe und hob zu einem traurigen Gesang an:
Männer, die nichts fürchten,
Frauen, die nichts meiden,
sie lebten im Dreischafetal.
Brönn kann keine kühneren Kämpfer künden,
Weya keine wackreren Weiber wähnen,
als im Dreischafetal.
Doch das Tal ist verlassen,
zur Vergessenheit verdammt,
nur Widma waltet wacker weiter.
Wann weist der Weg zurück
zu Weyas Wiege wohl?
Vergib meine wenig wonnevollen
Weisen mir, Wanderer.
Ich will weinen nicht weiter,
wissend, dass Weyas Nachkommen
weiter werken werden und
Ruhm und Ruf vermehren.
Mit der letzten Strophe war die gute Laune wieder hergestellt und die Männer lachten und jubelten wieder. Gerade wollte Haldor ein weiteres Lied anstimmen, als ein lauter Ruf die Feier durchbrach: „Alarm“.
Sofort trat Eirik, der zu Cathylls Leibwache ernannt worden war, neben diese, um sie gegebenenfalls zu schützen. Orm, ein alter Kämpfer, eilte zum Lagerfeuer und stammelte: „Ein Mann, ein Mann kommt auf unser Lager zu.“ Die anderen entspannten sich und lachten. Dass von einem einzigen Mann Gefahr ausgehen sollte, schien ihnen abwegig. Doch im nächsten Moment drehten sie sich schon angespannt um. Sie hörten eine Stimme rufen: „Cathyll, Cathyll, seid Ihr es?“ Cathyll musste einen Moment nachdenken, dann lief sie auf den großen Fremden zu, der verunsichert
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