Das Runenschwert (Die Saga von den drei Königreichen) (German Edition)
und feiern, das wusste sie, aber sie würde nicht glücklich sein und auf eine gewisse Art und Weise war das unfair, denn schließlich war sie es, die ein dreiviertel Jahr auf der Flucht gewesen war, sie war es, die ihre Eltern verloren hatte und die selber beinahe ums Leben gekommen war. Sie verdiente es glücklich zu sein, oder? Während sie darüber nachdachte, drehte sie den Siegelring des Hauses Marc um ihren Finger. Auf ihm stand eine Inschrift: Ich regiere, ich diene. Wahrscheinlich war Glück nur eine zeitweilige Angelegenheit, die kam und bald wieder ging. Den Rest der Zeit musste man einfach tun was das Richtige war. Cathyll streckte ihren Rücken und öffnete die Tür, die zur großen Marmortreppe führte. Momentan wusste sie was das Richtige war - sie musste vorgeben, eine starke Herrscherin zu sein und die Menschen für die Zeit der Entbehrungen und Entsagungen entlohnen.
Als sie die imposante Treppe hinabstieg, deren Geländer mit Blumengirlanden behängt war, und sie das Jubeln der Menschen auf dem langgezogenen Innenhof wahrnahm, das Lächeln von An’luin, Ketill, Bran, Ma’an, Sörun, Hjete und all den anderen sah - da konnte sie nicht anders als zu lächeln und die Sorgen zu vergessen, die sie eben noch geplagt hatten. In diesem Moment erschien es ihr, als wäre regieren und dienen ein Privileg und keine Verpflichtung.
Eine Abordnung von ankilanischen Fischern blies in ihre blechernen Sus’trak, lange, am Mundstück gewundene Hörner, die ansonsten am frühen Morgen geschmettert wurden, um einen guten Fang zu ermöglichen - eine Tradition, die noch zu den alten Göttern gehörte, bevor die beiden Kirchen Einzug ins Land gehalten hatten. Offiziell bat man mit dem Tröten um den Segen der Sonne, früher war es der Segen des Meergottes Han’glav. Sie schritt durch die Massen ihr bekannter Gesichter bis ans Ende der Terrasse, die in eine Mauer mündete, unter der normalerweise eine Wiese, die zwischen Burg und Stadt lag, zu sehen war, die jetzt allerdings mit den Bewohnern Mal Kallins gefüllt war. Auch hier sah sie bunte Fahnen und Wappen und ein fröhliches Volk, das, sobald es der Prinzessin gewahr wurde, anfing in laute Jubelstürme auszubrechen. Sie hatte unterwegs Ketills Hand genommen und ihn an ihrer Seite bis an die Brüstung gezogen, was ihm sichtlich unbehaglich war. Cathyll hatte die Rede nicht vorbereitet, aber sie hatte eine Entscheidung getroffen: sie würde eine Herrscherin sein und sie würde sich nicht von ihren Ängsten und Nöten dazu bringen lassen eine schlechte Herrscherin zu sein. Sie wusste, dass keiner eine Rede erwartete, doch das war es, was eine starke Herrscherin tun würde.
„Bürger von Mal Kallin, Menschen von Marc, Ankil, Norr.“ Jube lschreie.
„Ich war lange weg und diese Stadt und dieses Land war en verunsichert, denn die Familie derer von Marc schien ausgestorben. Ihr habt alle schon davon gehört, was mir widerfahren ist, doch möchte ich es noch einmal für alle wiederholen, damit es keine falschen Gerüchte gibt.
Mein Raethgir, Darius Rabec hat zusammen mit meiner Tante dafür gesorgt, dass meine Eltern getötet wurden.“ Von unten ertönte ein Raunen. Offensichtlich hatten viele die genauen Details noch nicht erfahren. „Als ich im ver gangenen Jahr davon erfuhr, plante Rabec auch mich zu töten. Durch einen glücklichen Zufall kam ich auf das Schiff unserer Freunde, der Wolfinger, “ damit deutete sie auf einen grinsenden Sörun und Eirik, „und mit konnte ihnen fliehen. Diese Menschen haben mein Leben gerettet und dafür bin ich ihnen unendlich dankbar. Sie haben mich bei sich zuhause aufgenommen. Nun werde ich dasselbe mit ihnen tun, denn nun haben sie kein Zuhause mehr. Sie sind starke Verbündete und gute Kämpfer. Sie werden dafür sorgen, dass unsere Küste von den Angriffen der Norr verschont bleibt.“ Erneut schallten Jubelschreie die Mauern hinauf. Die anwesenden Wolfinger genossen ihre neue Beliebtheit. Cathyll wusste, dass sie die gute Stimmung der Bürger der Stadt ausnutzte. Es gab kein besiedelbares Land in der Nähe und doch wollte sie die Wolfinger in ihrer Nähe haben - und nicht bis nach Staffrae auf Hrolfs Gut auslagern. Sie würde Familien finden müssen, die bereit waren ihr Land bei Mal Kallin aufzugeben und dafür nach Staffrae umzusiedeln. Aber das war ein Problem, mit dem sie sich nicht jetzt beschäftigen wollte.
„Bürger, ihr habt in letzter Zeit viele fremde Soldaten in Eurer Mitte erdulden müssen, Söldner, die
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