Das Runenschwert (Die Saga von den drei Königreichen) (German Edition)
Königin der Wolfinger, so schien es. Die Königin, die ihr in Throndje noch so kalt und unnahbar vorgekommen war, die nun aber verunsichert und verletzlich wirkte. Sie musste Furchtbares durchgemacht haben.
Als sie erzählte unter welchen Umständen sie nach Mal Kallin g ekommen war, hatten sich Cathylls Nackenhaare gesträubt. In Throndje hatten gerade die Feierlichkeiten zum „Isbrök“, dem Beginn des Frühjahrs begonnen. Die Königshalle wurde festlich geschmückt und wider Erwarten war sogar eine Abordnung von König Gunnar bei Hofe erschienen – unter der Leitung seines Sohnes Thorgnyr. Man feierte und trank bis tief in die Nacht, als Thorgnyr und seine Handvoll Männer plötzlich aufstanden und die Halle verließen. Dann verriegelten sie das Haupttor und zündeten die Königshalle an – alle Krieger und der König selber starben in den Flammen. Arla hatte sich an jenem Abend, wie so oft, nicht wohlgefühlt und war den Feierlichkeiten fern geblieben. Sie hatte den Brand der Königshalle beobachtet und das Gemetzel, das sich anschließend auf den Straßen von Throndje abgespielt hatte. Der Überfall galt nicht nur dem Königshaus, sondern der ganzen Stadt. Thorgnyr und seine Brüder hatten offensichtlich den Angriff von langer Hand geplant. Die Drakinger waren überall auf den Straßen von Throndje und schlachteten alles ab, was sich bewegte. Als die Männer auf die Festung des Königs zukamen, floh Arla zu den Schiffen. Die Drakinger hatten den Hafen noch nicht unter ihre Kontrolle gebracht, da sie ihre Schiffe woanders angelegt hatten. Mit den kampferprobtesten Skiprits konnte sich Arla auf das königliche Wolfsboot retten und ablegen. Sie ließ alles was sie hatte zurück. Als sie einmal auf See waren und es sich herausstellte, dass die „Fjäll“ schneller war als die Kriegsboote der Drakinger, wusste sie nicht wohin sie sich retten konnte. Ahnend, dass die Söhne von Gunnar auch andere Städte der Wolfinger überfallen haben könnten, fuhr sie nach Osten – nach Mal Kallin.
An’luin hatte gefragt, warum die Söhne Gunnars auf einmal den lang bestehenden Frieden zwischen Drakingern und Wolfingern aufgeben konnten. Arla hatte verbittert gelacht. „Sie wollten Fölsir, den Witwenmacher. Sie dachten, dass Olaf das Schwert habe, weil sie es im Dreischafetal nicht gefunden haben, wo sie es abholen wollten. Das hat mir Elling gesagt, der einzige, der vorher in der Halle war und der mit mir fliehen konnte. Thorgnyr hatte geglaubt, dass die Leute aus dem Dreischafetal das Schwert direkt zu König Olaf gebracht hätten. Ich wusste, dass dies nicht geschehen war und habe daher geschlossen, dass die Leute aus dem Dreischafetal nach Mal Kallin gefahren sein müssten – zusammen mit Ketill – dem Thronerben der Wolfinger.“
Die Nachricht kam für alle überraschend, ein Raunen ging durch den Empfangssaal. Nur Balain schien blieb ungerührt.
„Alle Verwandten des Königs, außer Dir, Ketill, saßen in der Halle, die niedergebrannt wurde.“ Ketill schaute Cath mit offenem Munde an. Sie empfand etwas wie Mitleid mit ihm, denn nun stand ihm etwas bevor, was sie selber durchgemacht hatte und ihr ganzes Leben lang durchmachen würde. Aber hinter seiner ehrlichen Überraschung, seinem Entsetzen darüber seine Familie verloren zu haben, entdeckte sie auch etwas anderes in seinem Ausdruck, etwas, das Freude glich, nur kurz und nur ganz versteckt, aber als Ketill seinen Blick senkte, wusste sie, dass er bemerkt hatte, was sie bei ihm gesehen hatte.
„Was ist zu tun?“, stotterte Ketill.
„Das, liebe Freunde, sollten wir morgen besprechen, wenn der erste Schrecken vorbei ist und wir uns an die neue Situation gewöhnt haben.“ Balain, der diese Worte gesprochen hatte, stand auf und verbeugte sich – fast leicht höhnisch – vor Cathyll, Arla und auch Ketill und ging hinaus. Nach und nach folgten die anderen. Ketill blieb noch etwas unsicher sitzen, doch falls er mit Cath reden wollte, wurden seine Pläne durchkreuzt. Arla sagte: „Königin Cathyll, auf ein Wort unter vier Augen?“
Cathyll nickte, was reichte, damit die anderen ohne Umstände den Raum verließen. Die beiden Frauen saßen vor dem Kaminfeuer und die Königin der Wolfinger schien in den Flammen vor ihr immer noch die Erinnerung an die Vergangenheit zu sehen. Sie räusperte sich. Cath wartete, bis sie anfing zu sprechen. Obwohl sich zwei Königinnen unterhielten, hatte Cathyll Respekt vor dem Alter und der Erfahrung der anderen und ließ ihr
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