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Das sag ich dir

Das sag ich dir

Titel: Das sag ich dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
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unterging, ob ein Kunde nur zwanzig Pence oder ein Pfund in das Bierglas einer Stripperin getan hatte, erfasste ich die Assoziationen und konnte eine Deutung wagen.
    »Was meinst du? Habe ich ein Problem?«, fragte Bushy, als er geendet hatte. Normalerweise hätte ich hier kurz mein »Analytikerbrummen« angestimmt, doch ich sagte: »Ich glaube, du musst wieder Gitarre spielen. Das vermisst du mehr, als dir bewusst ist.«
    »Bushy kann das aber nicht nüchtern.«
    »Ich wette, dass du nicht betrunken warst, als du Gitarre gelernt hast.«
    »Da war ich ein Kind.«
    »Na, also. Miriam meint, dass man dir sehr gern zuhört, wenn du spielst.«
    »Hat sie das echt gesagt?«
    Er dachte darüber nach und lächelte in sich hinein, als Miriam anrief. Bushy musste los. An diesem Abend wollte sie mit Henry ausgehen.
    »Eine Sache noch«, sagte Bushy, bevor wir uns trennten. »Ist dir nichts Komisches an mir aufgefallen?«
    Er stand direkt vor mir wie bei einem Appell. Ich nahm ihn von Kopf bis Fuß in Augenschein. »Nein, nichts.«
    »Echt nicht?«
    »Gibt es denn etwas Komisches an dir?«
    »Meine Nase. Da ist so ein Spalt, siehste?« Er fuhr sich mit dem Finger über die Nase. »Ganz schön tief das Ding, wie?«
    »Wenn du das meinst - das ist nichts Ungewöhnliches. Und es fällt gar nicht weiter auf. Du bist ein Prachtexemplar von Mann, Bushy.«
    »Meine Nase verwandelt sich in einen Arsch. Und das soll nicht ungewöhnlich sein? Dass einem zwei Arschbacken mitten ins Gesicht genietet werden?«
    »Wird es denn schlimmer?«
    »Bald scheiße ich aus der Nase, wirklich, das sag ich dir. Was kann ich dagegen tun? Kann man das operieren?« »Plastische Chirurgie, meinst du?« »So was in der Art.« »Wie stark belastet es dich?«
    »Wie stark würde es dich denn belasten«, fragte er, »wenn dir Scheiße aus dem Gesicht tröpfelt?«
    »Ziemlich stark«, erwiderte ich und fühlte mich, wie von ihm beabsichtigt, entweder zu dumm oder zu blind, weil ich eine so einfache Wahrheit nicht kapiert hatte.
    »Erzähl Henry bloß nichts von meinem Riechkolben«, sagte er. »Wir können uns gut ab. Ich will nicht, dass er mich für meschugge hält.«
    »Bushy«, erwiderte ich, »möchtest du wirklich ganz richtig ticken? Wie langweilig wäre das denn? Die Gesunden sind die einzigen, die unheilbar sind. Mein erster Analytiker hat immer gesagt: >Unsere Aufgabe besteht nicht zuletzt darin, die Gesunden zu heilem«.
    Die Wuchtbrumme, die in der Bar Gläser eingesammelt hatte, kam plötzlich auf Bushy zugetrottet, kniff ihn in die Wampe und küsste ihn auf die Wange. »Na, Bushy-Schätzchen, du furzender, alter Pygmäenpimmel? Kommst du mit deinem Zuckerschnäuzehen auf einen Drink und noch was anderes nach oben?«
    Er kehrte ihr fast den Rücken zu. »Mitten in einem wichtigen geschäftlichen Treffen?«
    »Ach, du liebe Güte«, sagte sie. Die Wuchtbrumme konnte zugleich winzig und voluminös sein. Sie stand da - ob sie Laufrollen statt Beinen hatte? - wie festgewachsen. »Früher warst du nie zu beschäftigt für dein kleines Pitzi-Putzi-Baby.«
    »Dieser Mann hier ist ein Arzt, nach dem sich alle die Finger lecken, einer der besten im ganzen Westen.«
    »Und was hat er dann hier zu suchen?«
    »Süffelt deinen gepanschten Wodka!«
    »Na, ist immer gut, für den Notfall einen Arzt im Haus zu haben.« Sie zog ein Gesicht. »Ein paar von den Mädchen müssten wirklich mal dringend untersucht werden.«
    »Er verarztet Köpfe!«, sagte Bushy ungeduldig, tippte sich an die Stirn und malte mit dem Finger Kreise darauf. »Er kuriert Verrückte.«
    »Umso besser!«
    Nachdem sie gegangen war, sagte ich: »Warten wir mal ab, wie sich deine Nase entwickelt. Wir bleiben ja sowieso im Gespräch.« »Aber du behältst die Sache im Auge, ja?« »Wie bitte?« »Meine Nase.«
    »Aber sicher«, sagte ich. »Natürlich.«
    »Gott sei Dank, Boss, du rettest mir mein einziges Leben.«
    Ein Wahnsinniger, Bushy, der sich um Wolf, einen anderen Wahnsinnigen, kümmern sollte. Und keiner von beiden war ein Held der Lüste, einer jener Verrückten, wie R. D.Laing sie idealisiert hatte, denn i hre Verrücktheit stellte im Leben keine Bereicherung dar, sondern sorgte im Gegenteil für Verwirrung, Verzweiflung und Vereinsamung. Ich hatte das Gefühl, als hätte ich meine Zunge soeben durch ein dünnes Zigarettenpapier gestoßen, das Wahnsinn und Gesundheit voneinander trennte.
    Bevor wir gingen, sagte Bushy: »Danke, dass du mich angehört hast, Boss. Wenn ich irgendwelche

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