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Das sag ich dir

Das sag ich dir

Titel: Das sag ich dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
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begutachten, die nach einer Ewigkeit endlich aufgetaucht war.
    Die Sache mit Wolf erinnerte mich an Vorfälle aus der Schulzeit, wenn einem der Schlägertyp, mit dem man früher gut befreundet war, während der ganzen großen Pause folgt und dann auf einen zukommt. Man ist in den Toiletten; alle anderen sind schon wieder in ihren Klassenzimmern, in der Schule ist für kurze Zeit Ruhe eingekehrt. Er kommt lächelnd und mit langsamen Schritten auf einen zu, und was soll man tun? Kämpfen und noch mehr einstecken oder sich zur Kugel zusammenrollen und um Gnade flehen? Ich neigte dazu, mich wie ein Igel zusammenzurollen - Wolf reden zu lassen und alle Schläge zu ertragen, meinetwegen auch nur deshalb, weil es eine Lust war festzustellen, wo sie niedergingen.
    Mit anderen Worten: bestraft zu werden. Wäre ich dann nicht ähnlich dran wie Ajitas Vater, bevor er kollabierte und starb - ein Mann, der kurz davor war, alles zu verlieren? Außer dass ich, im Gegensatz zu ihm, mit verschiedenen Abstufungen des Selbstmords spielen würde. Welchen Gewinn hätte ich von einer solchen Bestrafung, außer in der Phantasie? Wäre ich einer meiner Patienten, dann würde ich jetzt eine langfristig angelegte Strategie des Schweigens und der List empfehlen. Will man von einem Wolf nicht gefressen werden, dann hat man vielleicht nur die Möglichkeit, sich an seinen Rücken zu klammern. Aber würde mir das am Ende irgendetwas nützen?
    »Gib ihm ja nichts. Sonst wirst du ihn nie mehr los«, sagte Bushy. »Aber kannst du mir trotzdem ein bisschen was darüber erzählen, Boss? Über diese Sache, die du zwar nicht getan hast, wegen der du jetzt aber in der Klemme sitzt... Hat es noch andere Zeugen gegeben?«
    »Einen. Er ist tot.«
    »Gut.«
    Von Valentins Selbstmord zu hören, hatte mich keineswegs gefreut. »Kommt dieser Typ noch einmal zu dir?«, fragte Bushy.
    »Ohne jeden Zweifel.«
    »Warten wir mal ab, was er sagt, wenn du ihm eine Abfuhr erteilst. Sollte er handgreiflich werden, dann warte ich direkt vor deinem Haus. Immer genau im Auge behalten, den Mann - sonst werden wir nicht mit ihm fertig.« Er fügte hinzu: »Ich sage nicht, dass du ihn nicht möglicherweise abservieren musst. Manchmal ist das die einzige Möglichkeit, mit solchen Typen fertig zu werden. Aber ich kann das nicht machen.« Er schüttelte sich. »Hier gibt es ein paar Kerle, die die Sache für dich regeln könnten.«
    »Und wie viel würde das kosten?«
    »Ich horche mich mal um.«
    Mustaq hatte ich bereits belogen. Jetzt quälte mich dieses neue Problem. Ich musste unbedingt darüber reden. Aber ich wollte Miriam nicht belasten, und für Josephine war die Sache angesichts unserer gegenwärtigen Beziehung ein zu brisanter emotionaler Zündstoff. Der einzige andere Kandidat war Henry, ein Plappermaul - es gab kaum etwas, dass er nicht in den öffentlichen Diskurs einspeiste. Außerdem würde ihm nie in den Sinn kommen, dass ich in irgendeiner echten Gefahr schweben könnte. Eventuell würde er mein Geheimnis nicht über Westlondon hinausdringen lassen, aber das war mir schon zu weit.
    »Vielleicht kann ich ihn einwickeln«, sagte ich. Bushy hob eine seiner langen Augenbrauen. »Oder ihm etwas anderes anbieten.«
    »Was denn?«
    »Keine Ahnung. Ich erzähle dir, wie er reagiert.«
    Ich leerte meinen Drink und wollte Bushy gerade sagen, dass ich aufbrechen müsse, als er mir eine Hand auf den Arm legte und nach einem Blick in die Runde sagte: »Boss, ich möchte dich um eine Kleinigkeit bitten.«
    »Ja?«, erwiderte ich. »Wenn ich dir im Gegenzug irgendwie helfen kann ...«
    »Ich würde nicht wegen nichts zu dir kommen, denn du bist ein Profi mit superhohen Ansprüchen. Aber ich habe diese Träume. Sie kommen immer wieder. Sie sind Triptychons.«
    »Wie bitte?«
    »Sind immer drei. Soll ich mich setzen?«
    »Du willst mir den Traum jetzt gleich erzählen?«
    »Warum nicht?«
    »Na, schön«, sagte ich. »Erzähl ihn da, wo du es gemütlich findest. Wichtig sind die Worte. Wie du sitzt, ist egal.«
    Wie alle Leben sind auch alle Gesellschaften durch den Faden von Geben und Nehmen miteinander vernäht, und die Vorstellung, als Traumhändler zu fungieren und im Austausch für Detektivarbeit Träume zu deuten, amüsierte mich. In Anbetracht der Umstände war Bushys Arbeit aber wohl anspruchsvoller als meine. Ich hatte noch nie einen Traum - diese tägliche Dosis Wahnsinn - an einem so schrägen Ort angehört. Obwohl er teilweise im Lärm eines Streites darüber

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