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Das sag ich dir

Das sag ich dir

Titel: Das sag ich dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
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Für ihre Stelldicheins hatten sie ein Zimmer oben im Haus benutzt. Nun wollte sie ihn unbedingt zu einem Aufenthalt in ihrer Strandhütte in Whitstable überreden - »Oh, Bushy, Schätzchen, komm, lass uns von hier abhauen - ich habe ein Haus am Meer!« -, und er versuchte, ihr klarzumachen, dass er möglicherweise nicht ganz so scharf auf sie war, wie seine anfängliche Leidenschaft sie hatte glauben lassen. Ich hatte Henry ein paar Mal ins Cross Keys mitgenommen. Eine so versiffte Privatheit war in London am Aussterben, denn aufgrund der Bestückung der Stadt mit CCTV - gefördert von einem blinden Innenminister - beobachtete inzwischen jeder jeden, als würde das ganze Land unter Verdacht stehen.
    Die Frauen, die auf ihren Auftritt warteten, saßen neben der Bar in einem Holzverschlag, legten letzte Hand an ihr Make-up und fluchten oder flirteten mit den Männern, die sich über den Rand beugten, um mit ihnen zu reden. Gerade rasierte sich eine die Beine. Ich mochte Stripperinnen, egal wie alt und je prolliger, desto besser. Ich konnte ihnen stundenlang zuschauen und fragte mich jedes Mal, ob es nicht doch anders ausgehen würde. Es war so ähnlich wie die Wiederholung eines Fußballspiels, bei dem man die seltsame Erfahrung macht, klüger als die Spieler zu sein.
    Henry mochte das Cross Keys nicht. »Selbst Christopher Marlowe hätte auf diesen Strip geschissen«, beschwerte er sich. »Mann, ich glaube, ich stehe bis zu den Knöcheln in Rotz und Kotze! Stört dich dieser Zoogestank nicht? Das Einzige, was man diesem Laden zugutehalten kann, ist, dass er einen Crashkurs in der neuesten Schamhaarmode bietet - zum Beispiel, wer >den Rasen gemäht hat< oder nicht -, eine Gelegenheit, die nicht zu verachten ist.«
    Das Cross Keys war ein Marktplatz, auf dem Bushy viele Geschäfte abwickelte und Jacken, Drogen, Zigaretten und Handys verscherbelte. Ich hatte auch gesehen, wie er Dinge gekauft hatte. Diverse schlurfende Gestalten, manche davon Koreaner oder Chinesen, kamen mit versteckter Ware - meist raubkopierte DVDs - auf ihn zu, gelegentlich hatten sie auch einen Koffer dabei.
    »Wolf ist in meine Wohnung gekommen. Ich habe mit ihm gesprochen.«
    »Was hat er denn erzählt? Du siehst fertig aus, Mann«, sagte Bushy. »Du hast dich länger nicht rasiert. Und meine Nase ist sensibel - stinkst du etwa nach Wodka?«
    »Er wurde mir von meinem Sohn aufgenötigt.«
    »O Gott! Und er ist doch ein so braver, kluger Bursche!«
    Ich erhaschte in einem der Spiegel des Pubs einen Blick auf mich und nickte mir zu. Ich sah nicht schlimmer aus als alle anderen in diesem Etablissement.
    »Ich kenne Wolf von früher, als ich noch studiert habe. Er ist wieder aufgetaucht, weil er mich erpressen will.« Ich zögerte, bevor ich hinzufügte: »Er hat etwas gegen mich in der Hand.«
    »Was für ein Etwas?«
    »Das erzähle ich dir nicht.«
    »Also einer dieser Keine-Einzelheiten-Fälle. Scheiße, das könnte übel werden.« Das beeindruckte ihn endlich. »Bushy muss nicht wissen, ob du jemandem das Licht ausgeknipst hast oder nicht. Du bist ein integrer und achtbarer Mann, und es ist mir egal, wie viele Leute du abserviert hast. Wir sind eine Familie, Jamal«, sagte er. »Ich finde es ätzend, dass ein guter Doktor wie du Ärger an der Backe hat. Du bist ein Gentleman und ein Gelehrter, aber was kann man damit heutzutage erreichen - finanziell? Diese Bücher haben dic h in eine Traumwelt befördert.«
    »Stimmt das wirklich?«
    Ich fragte mich, ob er damit recht hatte, als er meinte: »Du weißt, dass ich so etwas total wertfrei sagen kann.«
    »Bushy, ich habe über diese Sache nachgedacht, und ich weiß nicht, was ich tun soll«, sagte ich. »Ich kann nicht zur Polizei gehen. Wolf ist hinter Geld her, und wie es aussieht, kann er meinem guten Ruf schweren Schaden zufügen. Neulich hat man mir in einer überregionalen Zeitung eine wöchentliche Kolumne angeboten. Anders als viele andere Leute habe ich meinen Ruf leider nötig, denn wenn ich weniger Patienten habe, bricht mein Einkommen ein. Deshalb erwäge ich, ihm etwas Geld zu geben.«
    Gegenüber von der Bar hockte sich eine junge Inderin hin und spreizte ihre Beine. Ihre Schamlippen sahen aus wie mit einem Silberring vernietet. Sie drehte sich um und zeigte drei Greisen unrasierten, zahnlosen Grotesken, die täglich auf den gleichen Plätzen saßen - das schrumpelige Loch ihres Anus, und die Herren beugten sich vor, die Hände auf dem Bühnenrand, wie um eine Rarität zu

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