Das sag ich dir
späteren Abend hat er mir von Valentin, Ajita und der Fabrik ihres Vaters erzählt. Ich hatte ganz vergessen, dass du damit zu tun hattest. Ich weiß noch, dass ich damals etwas über die Sache gelesen habe. Mir scheint, Wolf ist ziemlich besessen von dir, wie? Er will sich mit mir treffen, um mir mehr zu erzählen. Wäre das okay?«
»Nein.«
»Dann hat er mir noch von dem unaufgeklärten Mord und seinen drei Jahren im syrischen Knast erzählt. Zieh kein so besorgtes Gesicht - eine weiße Weste hat doch keiner von uns.«
Henry trank aus. Er wollte noch zu Miriam. Sie brauchte ihn, zumal einer der Hunde krank war. Miriam war öfter allein, als sie zugeben mochte. Die Kinder, inzwischen Teenager, übernachteten da und dort, oft bei Freunden. Einer der lieberen Jungen, der dem Haus entfliehen wollte, war sogar zu Mum und Billie in die Vororte gezogen.
Ich war oft bei Miriam, vor allem wegen ihres Fußball-Abos bei Sky, das ich mir aus Faulheit bisher nicht besorgt hatte, aber ich würde nie unter einem Dach mit ihr schlafen. Sie war immer noch mehr als fähig zu ihrem »verrückten« Verhalten, bei dem sie schrie, sich auf dem Fußboden wälzte und gegen die Wand hämmerte. Wenn ich bei ihr zu Hause war, hatte ich manchmal das Gefühl, durch den Spiegel gesogen und wieder in meine Kindheit gewirbelt worden zu sein.
Ich erwog, Henry zu begleiten, aber vorhin hatte mich Bushy angerufen. »Ich habe die Information«, hatte er wiederholt. »Ich warte auf dich.«
Ich fragte mich, ob es eine gute Idee war, an Wolfs Arbeitsplatz über diese Sache zu reden, aber Bushy war das egal. Er musste gleichzeitig noch ein paar Geschäfte erledigen.
Henry und ich verabschiedeten uns voneinander, und ich ging zum Busbahnhof von Hammersmith und stieg neben dem Einkaufszentrum in einen Bus, der allerdings nur langsam vorankam, vor allem in der Uxbridge Road. Der lange und schmale Bus stank, Kinder hörten mit ihren Handys Musik, und offenbar war jede Nationalität der Welt darin vertreten. Ich fragte mich, ob jemand anhand der Fahrgäste des Busses hätte sagen können, in welcher Stadt er sich befand.
Bushy, ohne Pflaster auf der Nase, saß an einem Tisch in der Ecke. Wolf, der an diesem Abend arbeitete, war am hinteren Ende der Theke beschäftigt. Die Wuchtbrumme brachte mir einen Wodka. Sie wollte sich dazusetzen, doch ich sagte ihr, dass Bushy und ich in einer Besprechung seien.
»Wie ich höre, hattet ihr einen guten Abend, du und Wolf«, sagte ich.
»Seelenklempner, du hattest recht«, erwiderte Bushy. »Der Mann hat Hummeln im Hintern.«
Bushy schob seinen Stuhl dichter an mich heran und begann zu flüstern; zwei alte Männer in einem Pub, die schwatzten. Ich fragte: »Welche Informationen meinst du?«
Er sah sich um, dann schaute er mich an. »Na, weißt du nicht mehr? Ich habe mich ein bisschen für dich umgesehen. Hör zu.«
Bushy erzählte mir, dass im Cross Keys immer noch um halb elf Uhr Schicht sei. Der Pub öffnete mittags und war immer voll, besonders am frühen Abend, schloss jedoch früher als die meisten anderen Kneipen im Viertel. Wie in anderen zwielichtigen Betrieben üblich - Minicab-Büros, Porno-Geschäften, Lap-Dancing-Clubs und Eckläden, die zu illegaler Stunde Alkohol verkauften -, bestach zwar auch die Wuchtbrumme die Polizei, wollte aber nicht durch zügelloses Verhalten ungebührliche Aufmerksamkeit erregen. Sobald der Pub dicht war, wurde Wolf von einem der Afrikaner in den Westen der Stadt gefahren.
Ich erfuhr von Bushy, dass Wolf jetzt in Soho in einem angesagten Club, dem Sartori, als Türsteher arbeitete. Als geborener Gauner hatte er schnell kapiert, dass dieser Job lukrativ war, vor allem wegen der Trinkgelder der Paparazzi, die die ganze Nacht durch die Clubs im West End zogen und für das richtige Foto gewaltige Summen bekamen. Diese Fotografen mussten wissen, wer sich gerade im Club aufhielt - welcher Fußballer, Soap-Star, Popsänger oder Filmschauspieler, die alle mit einem transparenten Leben für ihre Berühmtheit bezahlten - und ob sie koksten, soffen oder fickten oder alles auf einmal.
Diese Informationen wurden in rasender Schnelle durch das Ökosystem eines Clubs weitergegeben. Dieses begann ganz unten mit dem Toilettenpersonal - Afrikaner, deren nächtlicher Job darin bestand, die Klos zu putzen, den Berühmtheiten Handtücher anzubieten, ihre Scheiße wegzuräumen und magere Trinkgelder in Empfang zu nehmen. Sie schienen fast unsichtbar zu sein, wussten aber ganz genau,
Weitere Kostenlose Bücher