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Das sag ich dir

Das sag ich dir

Titel: Das sag ich dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
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Eltern sind Snobs. Wir bekommen ständig Besuch von sogenannten Künstlern. Auf diese Art werde ich mir die Zuneigung von Mummy und Daddy auf keinen Fall erschleichen.«
    »Muss es schwierig sein, dich zu lieben?«
    »Warum denn nicht? Sie wollten ja nicht einmal, dass ich Sozialarbeiterin werde. Und als ich eine geworden bin, hat sie das einen Scheißdreck interessiert. Sie haben sich nie nach meinen Fällen erkundigt.«
    »Benutz doch ein Pseudonym«, sagte ich.
    »Für meine Fälle?«
    »Das meinte ich zwar nicht, aber das wäre auch keine schlechte Idee.« Ich seufzte und stand auf. »Ich muss los.«
    »Es tut mir leid«, sagte sie. »Ich habe dich überfordert. Ich interessiere mich für deine Gedanken. Ich finde niemanden, mit dem ich reden kann - jemanden, der mich versteht. Ich träume immer wieder vom Meer.«
    »Möchtest du ein Kind?«
    »Scheiße, du Idiot, hoffentlich nicht. Jetzt bist du zu weit gegangen.«
    Ich lachte und merkte, dass sie mich küssen wollte. Ich ließ es zu und schmeckte diese Fremde, die da vor mir stand und ihre Zunge vorn in meinen Mund stieß. Als sie sich an mich drückte und ich nach ihren Brüsten griff, fragte ich mich, ob ich irgendwie reagieren würde, ob sich etwas regte. Sie glitt an meinem Körper hinunter und begann, mir einen zu blasen. Ich hielt sie nicht davon ab, weil es wenigstens eine kleine Entschädigung für meine ruinierten Schuhe war.
    »Ich hätte nicht gedacht, dass du das Gedicht gut finden würdest«, sagte sie. »Wir sind beide einsam. Schlaf doch hier, dann kannst du den Fluss riechen und den Regen hören.«
    »Heute nicht.«
    Sie kam auf die Beine. »Ich bin dir nicht jung und hübsch genug.« »Das dürfte auf Gegenseitigkeit beruhen.«
    Sie ließ den Block in eine große Plastiktüte fallen und gab sie mir. Ich hatte schon die Tür geöffnet, als sie sagte: »Nimm das hier auch mit.« Offenbar war es der Ingwer, noch im Rahmen und in mehrere Lagen Zeitungspapier eingeschlagen. Ich schob das Bild in die Tüte.
    Der Regen hämmerte förmlich vom Himmel. Der Matsch war noch tiefer geworden. Lisas Hütte war die einzige, in der Licht brannte, und es war ein öder Ort. Ich konnte nur hoffen, dass die Tüte dicht war und der Ingwer nicht beschädigt wurde.
    Ich stapfte im Dunkeln über ein nasses Schrebergartenareal, die Hosen bis zu den Knien durchweicht, die Schuhe tief im Matsch und in der Hand eine Einkaufstüte von Tesco, die ein Meisterwerk und ein paar Gedichte enthielt. Henry begleitete an diesem Abend Bushy zu dessen zweitem Auftritt bei einer Privatparty. Ein reicher Typ unterhielt seine Geschäftspartner mit einer Horde Huren. Henry hatte befürchtet, dass Bushy zu viel von dem verrückten Zeug spielen könnte, vor dem er ihn eindringlich gewarnt hatte.
    Bushy wollte den Auftritt ohne meinen Beistand absolvieren, doch ich hatte vorgeschlagen nachzukommen. Ich hatte überlegt, mit dem Taxi auf einen Drink hinzufahren, aber nun sah ich aus wie ein ersoffener Esel. Als ich zu Hause ankam, war ich ziemlich alle. Trotzdem erwachte ich um zwei Uhr nachts. Um drei Uhr packte ich den Ingwer aus, betrachtete die Zeichnung und probierte verschiedene Stellen im Zimmer dafür aus. Das Bild auf dem grauen Papier war nicht groß, vielleicht vierzig mal fünfzig Zentimeter, aber voller Intelligenz, Zärtlichkeit und Schönheit. Ingres hatte seine Zeit nicht vergeudet. Ich stellte es neben die Weihnachtskarte der Nutte auf den Kaminsims.
    Kurz bevor ich wieder zu Bett ging, checkte ich mein Handy. Ich hatte eine merkwürdige Nachricht von Bushy, der in dieser Nacht eigentlich etwas Besseres zu tun haben müsste. Sie lautete: »Habe die Info.«
    Am nächsten Morgen kam Wolf, um seine Wäsche zu holen, die er bei mir in die Maschine gestopft hatte. Er ging bei mir ein und aus, als wären wir dicke Freunde. Eigentlich hätte ich es unterbinden sollen, doch ich hatte geglaubt, er würde nicht wiederkommen. Er hatte gesagt, er komme nicht gern zu mir, weil man sich beim Betreten des Flurs gleich als Erstes im Sarg eines körperlangen Spiegels erblicke.
    Erst gegen Mittag, als ich mich mit einem besonders nervigen Fall herumplagte - eine Frau, die begonnen hatte, sich selbst zu schlagen wie dieser Typ in Fight Club -, merkte ich, dass der Ingwer verschwunden war.
    Wolf hatte einen Riecher für solche Sachen. Er hatte gemerkt, dass es ein gutes Bild war, auch wenn ich nicht genau wusste, ob er die Qualität ganz erfassen konnte. Ich rief ihn an, um zu erfahren, ob er

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