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Das sag ich dir

Das sag ich dir

Titel: Das sag ich dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
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mir die Zeichnung irgendwann zurückzugeben würde.
    Er kicherte noch, als ich auflegte.
    NEUNUNDDREISSIG
    Eigentlich hatte ich Henry anrufen wollen, um ihm zu sagen, dass ich den Ingwer für ihn besorgt hatte. Er wäre erleichtert gewesen, und wir hätten unsere Freundschaft ganz normal fortsetzen können. Nun musste ich ihm beichten, dass ich die Zeichnung zwar geholt - und seiner Tochter auf Bitten Valeries ein bisschen geholfen hatte -, aber durch einen »Patzer« wieder verloren hatte. Ich erklärte ihm: »Der Ingwer ist von einem psychotischen Patienten aus meiner Wohnung gestohlen worden.«
    »Gestohlen? Gestohlen, sagst du?«
    »Ja, gestohlen. Tut mir sehr leid, alter Freund.«
    »Unwiederbringlich gestohlen?«
    »Vielleicht. Wie soll ich das wissen? Erklären die Verrückten etwa ihre langfristigen Pläne?«
    »Von welchem Verrückten gestohlen, in Gottes Namen?« Er fing an zu brüllen. »Wer war es?«
    »Das ist vertraulich.«
    »Meinst du das ernst? Willst du mir wirklich erzählen, dass irgendein Wahnsinniger mit dem besten Ingres meiner Frau im Rucksack durch London rennt?«
    »Ganz genau.«
    »Und du lässt das zu? Ist das deine Rebellion gegen mich? Hasst du mich? Du hast dich von mir abgewandt, oder?« »Auf jeden Fall ist der Ingwer weg.« »Bekommen wir ihn zurück?«
    »Wer weiß? Wie Lenin gesagt haben könnte«, fügte ich hinzu, »ein Schritt voran, zwei Schritte zurück.«
    Die Laute am anderen Ende der Verbindung waren mehr als außergewöhnlich. Ich beendete das Gespräch.
    Abends, nachdem ich mit der Arbeit fertig war, kam Henry vorbei. Wir hatten uns oft gefetzt und wütend geschmollt und diskutiert, und wir hatten es meist genossen. Wir schätzten beide einen guten Krach, hatten uns aber nie zerstritten. Und jetzt wollte ich kein Wort mehr von dem Ingwer hören.
    Offenbar öffnete ich ihm mit einer gewissen argwöhnischen Kampfbereitschaft die Tür, denn er legte mir eine Hand auf die Schulter und sagte sofort: »Keine Sorge, beruhig dich, ich werde die Sache nicht ansprechen. Es gibt Wichtigeres als die Spuren eines Stiftes auf einem Blatt Papier.«
    Wir schlenderten an den vollen Pubs vorbei, vor denen die Leute draußen in der Sonne saßen, gingen in Richtung der Brücke in Barnes und von dort auf dem Treidelpfad zurück zur Hammersmith Bridge.
    Gegenüber dem Pfad gab es eine verlassene Vogelstation und am Ufer darüber eine Bank. Dort setzten wir uns für eine Weile hin.
    »Ich wollte dich treffen. Ich wäre gestern Abend gern zu euch gestoßen«, sagte ich, »wenn ich mich nicht mit deiner Familie hätte herumschlagen müssen.«
    »Ich bin dir dankbar dafür«, erwiderte Henry. »Die Party war lustig. Gab erst ein bisschen Panik, weil der Veranstalter sie abblasen wollte. Wie immer im Leben waren nicht genug Mädchen da. Aber da ich inzwischen als Agent tätig bin, konnte ich ihm behilflich sein.«
    »Du?«
    »Bushy hat im Cross Keys angerufen, und dann ist er mit drei osteuropäischen Tussen zur Party gekommen, die mehr als wild darauf waren, irgendwie zu Geld zu kommen. Aber weißt du was? Sie wurden von ihrem Manager begleitet - einem Mr Wolf.«
    »Der Große, Böse?«
    »Ah, du kennst ihn. Mr Wolf blieb den ganzen Abend, weil er offenbar das Gefühl hatte, seine Mündel brauchten Schutz. Er war hocherfreut über den Verlauf der Party.«
    »In welcher Hinsicht?«
    »Er hatte eine ganze Aktentasche voll Stoff, und es gab jede Menge Abnehmer. Die Jungen und Mädchen verloren sich schon bald in einem Blizzard von dem Zeug. Wenn ich die Sache nicht um drei Uhr früh beendet hätte, wären wir jetzt immer noch dort.«
    »Wie war es für Bushy?«
    »Er war nicht überzeugt, dass er es schaffen würde, ohne dich in der Nähe zu wissen. Ich musste ihm erzählen, dass er mir nur helfe und nicht der Star, sondern ein Mitarbeiter sei. Das hat offenbar gewirkt.
    Allerdings trug er aus Gründen, die er nicht näher erläutern wollte, ein weißes Pflaster auf der Nase, mit dem er aussah wie Jack Nicholson in Chinatown. Irgendwann wurde er knallrot, und die Augen quollen ihm aus dem Gesicht. Die Leute haben es wohl erst bemerkt, als er das eine Auge schloss, um das andere herausquellen zu lassen. Eines der Mädchen wurde panisch und musste nach draußen gebracht und beruhigt werden. Sie war für den Rest des Abends außer Gefecht.« Henry fuhr fort: »Wolf ist einer deiner ältesten Freunde, wenn nicht sogar der älteste, und ich bin ihm noch nie begegnet.« »Was hat er so gesagt?«
    »Am

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