Das sag ich dir
antun? Was für ein Mensch bist du?«
»Nur nicht laut werden. Ich bin kein Dieb«, sagte er. Er beugte sich über die Bar. »Ich habe es nur als Pfand für andere Zahlungen an mich genommen.«
»Bei dir läuft es doch gut«, sagte ich. »Und dafür habe ich gesorgt. Reicht dir das nicht als Entschädigung?«
»Ein Job in einer Bar?« Er schaute mich an, als wollte er mir ins Gesicht spucken. »Du hast mein ganzes Leben geraucht wie eine Zigarette, die irgendwann nur noch Asche war.«
Ich war schon fast zur Tür hinaus, als ich kehrtmachte, durch eine Tür mit der Aufschrift »Privat« huschte und nach oben in Wolfs Zimmer rannte. Seine Ecke war so ordentlich, wie ich es von ihm kannte, die Jacken und Hosen hingen auf Bügeln, die Hemden waren nach Farben geordnet, seine Rasiersachen standen auf dem Regal über dem Waschbecken. Der übrige Raum war ein solches Chaos aus kaputten Möbeln, zerrissenen Vorhängen und Pappkartons, dass ich beim besten Willen nicht wusste, wo ich mit der Suche nach dem Ingwer beginnen sollte.
»Kannst du mir helfen?«
Hinter mir stand eines der Mädchen, halb angezogen, in rosa High Heels und mit einem Fetzen von Bademantel bekleidet. Das Licht kam von hinten, und sie sah aus wie jemand in einem Film von Fassbinder, einem meiner Lieblingsregisseure.
»Du bist Psychiater und erkennst mich nicht?«, sagte sie.
»Hi, Lucy, wie geht's?« Sie zuckte mit den Schultern. Ich fragte: »Wie wäre es mit einer schnellen Nummer?«
»Schnell? Für wen hältst du mich denn?«, erwiderte sie und kam auf mich zu. Immerhin grinste sie, bevor sie so tat, als wollte sie mir eine kleben. »Was willst du hier oben?«
»Ich glaube, Wolf hat etwas, das mir gehört«, antwortete ich.
Da sie kein Wort zu kapieren schien, küsste ich sie und nahm ihre Hand. Wir betrachteten einander neugierig.
Plötzlich stürmte Wolf herein, so verärgert und aufgebracht, als wäre er überzeugt, mich endlich erwischt zu haben und fertigmachen zu müssen.
»Ich suche nur nach einem String -Tanga zum Tändeln«, sagte ich.
»Hi, Lucy.« Er zwinkerte mir zu und sagte: »Wieder mal die alte Masche?« Dann ging er hinaus.
»Er hat heute schlechte Laune«, sagte sie.
Ich lachte, als ich ihr meine Handynummer gab. Während ich sie aufschrieb, musste ich an Valentin denken, der immer so charmant und unbeschwert mit fremden Frauen umgegangen war - der seltene Fall eines Mannes, der sich nicht vor den Frauen fürchtete. Seltsam, dass ich mich nach all den Jahren immer noch mit diesem Wesenszug identifizierte.
Ich folgte Lucy nach unten und sah ihr bei einem Tanz zu. Am Ende ging ich zur ihr, küsste sie und sagte: »Ich kann es kaum erwarten, dich wieder angezogen zu sehen.«
VIERZIG
Am gleichen Abend rief ich Ajita an, doch sie nahm nicht ab. Ich beschloss, ein paar Tage zu warten. Vielleicht meldete sie sich ja bei mir. Doch nichts tat sich. In der nächsten Woche versuchte ich es erneut und fragte sie, ob sie Zeit für ein Treffen habe. Sie klang verschlafen, meinte aber immerhin, »recht oft« an mich gedacht zu haben. Wir verabredeten uns zweimal zum Lunch, aber sie sagte immer mit der Begründung ab, dass sie erkältet sei.
Schließlich sprach ich ihr auf Band, dass ich Ende der Woche bei ihr in der Gegend sei und sie besuchen werde. Ich hatte vor, dies am frühen Abend zu tun, wenn Wolf noch im Cross Keys arbeitete, ein paar Stunden vor seinen nächtlichen Ausflügen.
Ich wollte sie sehen, dazu war ich bereit, und sie schien - endlich - auch bereit für mich zu sein. Sie hatte mir eine SMS geschickt, in der es hieß, da gebe es etwas, das ich mir so bald wie möglich anschauen müsse; es sei dringend.
Bevor ich darüber nachdenken konnte, was sie damit meinte - ob sie mir die Sache mit Wolf beichten oder mir etwas berichten wollte, das er ihr erzählt hatte -, bekam ich einen verzweifelten Anruf von Miriam, die mir sagte, dass Henry verschwunden sei.
»Verschwunden? Wohin? Was redest du da?«
Wie ich ihren wirren Worten entnahm, hatte sie zu Hause einen der Hunde einschläfern lassen. Während der von ihr so genannten Zeremonie war Henry gegangen. Er war in seine Wohnung zurückgekehrt - oder wohin auch immer - und drei Tage fortgeblieben, ohne ein einziges Mal bei ihr anzurufen.
»Hast du ihn angerufen?«, fragte ich.
»Ich fürchte mich davor. Gut, ein paar Mal habe ich es versucht, aber ich habe immer aufgelegt, wenn ich seine Stimme auf dem Anrufbeantworter gehört habe. Ich weiß, dass er es hasst zu
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