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Das sag ich dir

Das sag ich dir

Titel: Das sag ich dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
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jahrelang geholfen und beraten, und trotzdem sagt er immer noch zu mir: >Willst du nicht endlich etwas Ernsthaftes tun, Ajita? Willst du wirklich ein verwöhntes, kleines, reiches Mädchen bleiben, das sich von einem sogenannten Freund ausnehmen lässt?<«
    »Was hast du darauf erwidert?«
    »Ich habe ihm erst eine verpasst - eine richtige Maulschelle, und das hat mir gutgetan -, und dann habe ich ihm gesagt, dass ich abhaue. Als ich gepackt habe, ist er hier ins Zimmer gekommen, hat meine Sachen aus der Tasche gekippt und mir befohlen zu bleiben. Dann hat er mich gepackt und festgehalten. Ich habe ihm auf den Fuß getreten. Was hast du vor?, habe ich geschrien. Willst du mich einsperren, wie Dad es getan hat?
    Daraufhin hat er mich losgelassen, aber er war stinksauer. Er hat schon genug Probleme. Ich habe eingewilligt zu bleiben, aber wenn er noch ein Wort sagt, bin ich weg.«
    Ajita begleitete mich auf dem Weg zur Dean Street, wo mich das Taxi einsammeln würde, das sie bestellt hatte. Sie ergriff meinen Arm.
    »Vermisst du nicht diesen verrückten Zauber der Liebe?«, fragte sie, drückte sich an mich und zog ihr Kleid hoch, um mir einen letzten Blick auf ihre Beine zu gönnen. »Na, was meinst du?« Jetzt neckte sie mich. Sie wusste, dass ich sie um ihre Freiheit und Zufriedenheit beneidete.
    Wir umarmten einander, und ich sah ihr nach, als sie zu Wolf ging. Als ich im Taxi saß, wollte ich zuerst nach Hause, aber fünf Minuten später beschloss ich, zum Cross Keys zu fahren. Dort konnte ich einen trinken und für mich sein. Später würde ich einen der Äthiopier bitten, mich nach Hause zu bringen. Ich stemmte die vertraute Tür auf und ging durch die Bar. Lucy, meine blonde Slowakin, hatte gerade ihren Auftritt. Sie winkte mir, und die Männer drehten sich nach mir um. Ich sah ihr beim Tanzen zu und beobachtete die Typen, die sie anstarrten. Schließlich kam sie zu mir und nahm mich in die Arme. Wolf war schon vor einer Weile aufgebrochen. Sobald sie fertig war, gingen wir nach oben in sein Zimmer.
    »Ich sehe dich gern«, sagte sie. »Ich mag es, wenn du hereinkommst.«
    Ich legte mich auf die Matratze, um zu rauchen, und bat sie, sich zu mir zu legen. Sie zog sich bis auf die Kette mit dem Kreuz aus, die sie um den Hals trug. Als sie unter die Decke schlüpfte, küsste sie mich auf den Mund. »Ich bin keine Prostituierte«, sagte sie. »Nur Tänzerin. Nächstes Mal ich arbeite mit Kindern, wenn ich Geld für Englischunterricht habe.«
    Ich war noch nicht ganz steif, als ich in sie eindrang und mich ein wenig bewegte. Ich hatte das Gefühl, gegen eine innere Wand der Gleichgültigkeit und Abgestorbenheit anzustoßen. Sie ermutigte mich nach Kräften, lächelte und zeigte mir ihre Zunge.
    Schließlich zog ich meinen Penis wieder heraus, lag neben ihr und hörte zu, wie sie von ihrem Leben in London erzählte. War das hier eine Art Schlusspunkt?, fragte ich mich. Hatte ich alles erlebt, und mangelte es mir jetzt deshalb an Neugier, Leidenschaft und Interesse? Dass sie so nett war und dass wir einander mochten, machte es noch schlimmer.
    »Magst du mich nicht?«, fragte sie.
    »Doch, natürlich«, antwortete ich. »Du bist wunderbar.«
    Ich fragte sie nach dem Kommunismus und fügte wie zur Entschuldigung hinzu, dass viele aus meiner Generation und auch viele ältere Leute mehr oder weniger daran geglaubt hätten.
    »Aber ich bin zu jung, um mich daran zu erinnern. Es hat nur den Faulen gefallen«, sagte sie. »Jetzt haben wir den Markt, aber die meisten Menschen haben immer noch kein Geld. Wir bleiben hier in diesem Land fünf Jahre oder zehn, bis wir uns daheim ein Haus kaufen können.«
    Wir streichelten einander. Ich begann mich zu entspannen und konnte endlich über das nachdenken, was ich vorhin gesehen hatte. Darüber, wie Mustaqs Leute den Dokumentarfilm aufgetrieben hatten, in dem Ajitas Vater Mitte der Siebziger und kurz vor dem Streik aufgetreten war. Baufällige alte Gebäude und altmodische Autos; Arbeiter mit den Frisuren der Siebziger, in Jacken mit breiten Revers und braunen Schlaghosen; alle rauchten, wie es damals üblich war, im Bus, im Zug, im Flugzeug, ja sogar im Fernsehen. Dann ein Kommentar: Der Kommunist aus der Oberschicht erläuterte die Ausbeutung - »wie immer sind es die Arbeiter, die die Last eines fremden Ehrgeizes auf ihren Schultern tragen«.
    Und da war er, Ajitas Vater, mit dem Mund seines Sohnes und dem dunklen Haar, das ihn jünger wirken ließ, als ich inzwischen war, mit

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