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Das sag ich dir

Das sag ich dir

Titel: Das sag ich dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
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ersten meiner Wiener Lieblingsdenker, über Wittgenstein und seine Theorie der »privaten Sprache«. Seine Fragen waren befriedigend fremdartig. Es sollte noch eine Weile dauern, bis ich wirklich bei Freud angekommen war.
    Wenn wir keine Seminare oder Vorlesungen besuchten, und das war meist so, nahm ich Ajita mit zu Valentin und Wolf. Sie kaufte ein und kochte uns Steak mit Pommes frites; wir waren eine kleine Familie. Wenn ich sage, dass sie meine erste Liebe war, so meine ich damit, dass sie die erste Frau war, die ich nicht einfach vergessen konnte, die mir im Kopf herumspukte, wenn ich nicht bei ihr war, und an die ich immer denken musste. Wenn sie gegangen war, belastete mich das sehr.
    Wir schliefen in Valentins Bett miteinander, während die Jungen draußen rauchten. »Na, los, legt euch flach«, sagte Wolf immer, »ihr zwei könnt ja nicht die Finger von euren Ärschen lassen.«
    Allmählich stellte sich bei mir eine merkwürdige sexuelle Erfahrung ein. Liebesspiel und Orgasmus verschmolzen miteinander. Das Erbeben, das Kribbeln, das Kommen waren auf einmal ganzkörperliche Erfahrungen und fanden nicht nur in meinen Genitalien, sondern auch in meinem Inneren statt, sodass ich mehrere Orgasmen hatte. Sie endeten nicht mit einem Paukenschlag - waren nicht abrupt vorbei -, sondern schienen fortlaufend zu sein: eine ganze Reihe heftiger Schüsse oder Explosionen, deren Wucht immer weiter abnahm.
    Was ist ein Krimineller? Jemand, nach dem die Polizei fahndet - der gesucht wird. Ich wurde noch nicht von der Polizei gesucht. Und meine Freunde? Ich weiß nicht genau, ob Valentin und Wolf irgendwelche »Verbrechen« begingen, und wenn ja, welche. Sie erzählten von Schlägereien oder davon, wie Wolf jemandem einen Stuhl über den Schädel gezogen hatte, von korrupten Polizisten und Anwälten und wie einfach es sei, einen Richter zu bestechen oder sich einen gefälschten Pass zu besorgen.
    Mit Wolf zog ich durch die vielen Läden für Antiquitäten und Trödel, die es in der Gegend gab. Ich kannte mich damit aus und konnte ihm helfen, Schnäppchen zu finden. Einfach war das nicht, denn sobald Wolf einen solchen Laden betreten hatte, begann er, Fünfpfundscheine an die Angestellten zu verteilen. Das machte Eindruck, keine Frage, und man flitzte mit frischer Energie los und schleppte Vasen an. Ob sich dieses Trinkgeld jedoch in anderer Hinsicht auszahlte - es trieb die Preise eher in die Höhe -, wage ich zu bezweifeln. Vielleicht reichte Wolf die Unterwürfigkeit. Mir reichte sie. Damals wollte ich immer noch Akademiker werden und die kriminellen Geschichten nur nebenbei betreib en. Mir gefiel der Gegensatz: Pl aton, der Dieb.
    Einmal hatte Valentin allerdings ein extremes Erlebnis. Im Water Rat begegnete er einem Typen, der ihn bat, seine Frau zu vögeln, während er sich einen runterholte. Val, der das Geld gut gebrauchen konnte, ließ sich ein paar Mal dafür bezahlen. Die Frau schien die Sache nur mäßig interessant zu finden und wollte lieber allein mit Val essen und im Anschluss ins Theater gehen. Auch sie wollte ihn dafür bezahlen. Dann kam der Typ wieder zu Valentin und bot ihm noch mehr - erheblich viel mehr -, wenn er die Frau fesseln und sie »ein bisschen schlagen und durch die Gegend treten« würde. Diese Vorstellung widerte Valentin an, obwohl Wolf und ich fanden, dass er eine super Sache am Laufen hatte und den Preis, da offenbar Geld vorhanden war, noch weiter in die Höhe treiben sollte. Dummerweise streckte Valentin den Mann mit einem Faustschlag nieder, nachdem dieser seine Bitte vorgetragen hatte. Valentin war bereits depressiv und verfiel immer wieder in katatonische Starren, und diese Sache machte alles noch schlimmer, denn er wollte sich weder prostituieren noch gewalttätig werden, und warum passierte so etwas immer ihm? Seltsam, aber damals schlug ich ihm vor, eine Therapie zu machen, obwohl ich so gut wie keine Ahnung davon hatte, aber er meinte, wenn er reden wolle, würde er sich im Pub mit mir unterhalten. Ein Mann machte so etwas mit sich selbst ab.
    Da war es also wieder, das Reden, und die meisten Menschen reden viel. In meiner Familie waren Geschichten sehr beliebt. Meine Großmutter, die vor ihrem Umzug in eine nahe gelegene, kleine Wohnung bei uns gelebt hatte, verschlang die Bücher von Agatha Christie und Catherine Cookson. Sie lagen stapelweise unter dem Bett, in der Ecke und neben dem Klo. Meine Mutter sah Soaps, und Dad las im Flugzeug Henry Miller. Ich himmelte James Bond

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