Das sag ich dir
können wie Dad. Sie erzählte selten von ihm, aber wenn man zum passenden Zeitpunkt hartnäckig genug nachbohrte, konnte manchmal etwas aus ihr herausplatzen wie: »Oh, Jamal, du bist ihm so ähnlich.« »Wie denn?« »Ach, du weißt schon. Abfällig. Er konnte so herrisch und unhöflich sein, dass einem der Mund offenstand. Er war es gewohnt, bedient zu werden und Frauen zu Dienerinnen zu machen. Er konnte einem das Gefühl geben, dumm und langweilig zu sein.« Bei anderen Gelegenheiten sagte sie: »Du ahnst ja nicht, was für ein wunderbarer Mann dein Vater in seinen jungen und anständigen Jahren war. Gutaussehend, intelligent und mehr als geistreich. Er hatte Klasse - sagt man das so? Ja, er hatte etwas Zauberhaftes.« Mit einem Blick auf mich sagte sie: »Du hast durchaus etwas von seiner Arroganz, das wird man dir später bestimmt bestätigen. Aber anders als du war er sich dessen voll und ganz bewusst. Und weißt du was? Es hat ihn einen Scheißdreck interessiert!«
»Ich war wie geblendet«, sagte sie, und ich fragte mich, ob sie ihn immer noch liebte. Dann fügte sie den wunderbaren Satz hinzu: »Er war wie ein Stern, der einem in die Augen strahlte. Gott allein weiß, was er an mir gefunden hat. Ich war ein Mädchen aus der Vorstadt und fühlte mich ihm gegenüber immer unterbelichtet. Wenn er mich nicht gerade geküsst hat, hat er mich in Restaurants mitgenommen, um mir seine Brüder und Freunde vorzustellen. Ich habe die Pakistaner den Engländern immer vorgezogen. Ich mochte ihr Essen und ihre guten Manieren. Ich war nie eine dieser Feministinnen - das konnte ich mir gar nicht leisten -, aber wenn sie erwartet haben, dass ich kochen, abwaschen und in der Küche stehen würde, habe ich mich gewehrt. Meine Eltern haben nie ein schlechtes Wort über deinen Dad verloren. Ich hatte ihnen erzählt, er wäre ein indischer Prinz.«
Während Dad in London studierte, verfrachteten seine acht Brüder den Rest der Familie von Indien nach Pakistan, weil sie glaubten, das neue Land - wie als Nachgedanke brutal vom alten abgetrennt, als die britischen Vandalen flohen und dabei zu einem letzten Schlag ausholten - würde ihnen einen Neuanfang ermöglichen. Während dieser Zeit lebte Dad zwar bei der Familie, die er gegründet hatte, in den Randbezirken von London, hatte aber das Gefühl, weder eine Heimat noch eine Bestimmung zu haben.
Wie Mum sagte: »Diese Vororte waren nichts für ihn. Wir wohnten im Haus meiner Eltern; wir hatten uns verlobt; wir heirateten; wir bekamen Kinder. Aber er war immer noch auf der Durchreise. Und was hat er getan? Im Pub gehockt. So oft wie möglich in Kent Kricket gespielt.
Wenn ich euch beide gefüttert habe, hat er unaufhörlich über Politik, Sport und seine Familie gesprochen. Schließlich habe ich gesagt: >Ist doch für die Katz, wenn du mir das erzählst. Schreib es auf! Pack es in eine Kolumne!< Genau das hat er getan. Er begann, für Zeitungen in Indien und Pakistan zu schreiben. Er merkte, dass er dort sein musste, mitmischen wollte. Er war bereit zu arbeiten. Er wollte dabei sein.«
Also kehrte er auf den Subkontinent zurück. Eine offizielle Trennung gab es nicht, aber Mum vermutete, dass ihn »etwas aufgeregt hatte«. .
Wenn wir zu Hause vor dem Fernseher saßen und Vesta-Currys aßen - näher konnten wir dem Subkontinent nicht kommen -, sagten wir Dinge wie: »Was du da tust, würde Dad nicht passen«, oder: »Darüber würde Dad jetzt lachen«, um das Gefühl zu haben, er wäre bei uns. Er wurde zu einem Phantasie-Vater, zu einer Collage, die aus den Bruchstücken seiner wahren Person bestand. Jeder von uns hatte seine eigene Vorstellung oder sein Bild von ihm, während er im Schatten stand wie Orson Welles in Der dritte Mann , immer kurz davor, in unser Leben zu treten - wie wir hofften. Wenn Mutter mit Worten wie »dieser Kerl« oder »euer verdammter Vater« von ihm sprach, sorgte das immerhin dafür, dass wir ihn im Bewusstsein behielten. Gelegentlich konnte er aber auch für ungute Zwecke herhalten.
Als Miriam einmal stinksauer auf Mutter war, sagte sie: »Du behauptest, dass Dad ein Alkoholiker war und fies und verletzend sein konnte, aber er hat ein erfolgreiches Leben gehabt. Was hat es denn je g ebracht, für andere zu sorgen?«
»Als erfolgreich würde ich ihn nicht unbedingt bezeichnen«, antwortete Mum. »Seine Familie im Stich zu lassen ist nicht erfolgreich.«
Miriam erwiderte: »Dad musste dich verlassen.«
»Was soll das heißen?«
»Weil du so
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